Johanna Mo: Dunkelwald, Aus dem Schwedischen von Ulrike Brauns, Heyne Verlag, München 2023, 496 Seiten, €15,00, 978-3-453-42582-8
„Über sechzehn Jahre lange hatte sie geglaubt, das ihr Vater ein Mörder war. Als ihn die Polizisten abgeführt hatten, war ihr Leben stehen geblieben und sie wollte endlich richtig weiterleben. Während der letzten Monate mit Isak hatte sie es fast vergessen können.“
Auch im dritten Band dieser Krimireihe steht die sympathische Ermittlerin Hanna Duncker im Mittelpunkt. Neuerdings hat die Fünfunddreißigjährige einen Freund. Isak arbeitet als Lehrer und umsorgt seine Freundin, denn gleich zu Beginn wird auf Hannas Haus kurz vor Weihnachten ein Brandanschlag verübt, dem sie nur um Haaresbreite entkommen kann. Hanna zieht zu Isak und vermisst jedoch ihren privaten Rückzugsort. Für Hanna ist relativ schnell klar, wer ihr nach dem Leben trachtet. Nachdem ihr Bruder Kristoffer ihr gebeichtet hat, dass er bei dem Überfall auf Ester Jensen dabei war, aber die Frau nicht ermordet hat, weiß Hanna, dass ihr Vater, der alle Schuld auf sich genommen hatte und heute Alkoholiker ist, unschuldig ist. Auch Axel Sandsten, heute ein angesehener Bürger, war dabei und er hat die Frau nach Aussagen von Kristoffer getötet. Fraglich ist, ob dieser Fall wieder aufgerollt wird, wenn Hanna nicht genug Beweismittel vorlegen kann.
Parallel zu diesem Fall beschäftigt Hanna ebenfalls ein weiterer Cold Case. Nach zwanzig Jahren werden im Mittellandwald die Knochen des vermissten Mikael Fransson gefunden. Es konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass er erwürgt wurde. Seine Mutter hatte gehofft, dass er noch lebt, seine Zwillingsschwester Therese war sich sicher, dass Mikael nicht mehr am Leben ist. Verschwunden ist der Neunzehnjährige nach der ABI-Feier, sein Ziel war Berlin und von der Fähre in Travemünde hatte er damals auch eine SMS gesendet. Die Polizei ging davon aus, dass er, wenn überhaupt, in Deutschland verschollen ist.
Johanna Mo erzählt nicht nur multiperspektivisch, sondern auch auf unterschiedlichen Zeitebenen. Zum einen berichtet sie von der Polizeiarbeit und Hannas Situation in der Gegenwart und zum anderen erfahren die Lesenden, was in Mikaels letzten Stunden geschehen ist. Er hatte mit seinen Schulfreunden eine private Feier in einem verlassenen Haus geplant und ist von dort aus verschwunden. Akribisch verfolgt die Polizei nun jede Spur und spricht mit den damaligen Freunden von Mikael, die erreichbar sind, und natürlich mit seiner Familie. Alle Erinnerungen an die Geschehnisse vor zwanzig Jahren sind jedoch lückenhaft.
Auch Thereses Leben wird beleuchtet. Sie ist mit Kaspar, einem Polizisten verheiratet, der sich mit dem sehr lebenshungrigen, aber auch anstrengenden Mikael nicht sonderlich gut verstanden hat. Streit gab es wohl auch im Juni 1999 mit dem Englischlehrer von Mikael. Thereses Ehe ist nicht sonderlich glücklich. Sie fühlt sich von ihrem Ehemann Kaspar nicht mehr geliebt, sondern nur kontrolliert und eingeengt. Mir ihrer halben Stelle im Kindergarten kann sie jedoch ihre beiden Kinder nicht ernähren. Wäre sie eigenständiger, Kaspar hat ihre berufliche Entwicklung immer behindert, hätte sie sich schon längst getrennt. Interessant ist, dass in schwedischen Krimis diese Abhängigkeiten in der Ehe insbesondere bei psychischem und physischem Missbrauch neuerdings sehr oft thematisiert werden.
Ausgesprochen ausführlich umkreist beruflich wie privat Johanna Mo all ihr Personal und dabei handelt es sich, bedingt auch durch die Vorgängerbände, um viele Personen, die die Lesenden stellenweise schwer auseinanderhalten können, wenn sie mit dem dritten Band beginnen. Durch die Sprünge zwischen den Zeiten müssen die Lesenden auch ziemlich gut aufpassen, um immer zu wissen, um welche Freunde und Freundinnen von Mikael es sich handelt.
Nach und nach rekonstruieren die Ermittler die Zeit vor Mikaels Tod und sie finden heraus, dass nicht nur eine Person in die Tat involviert ist.
Der Anschlag auf Hannas Haus wird nicht aufgeklärt, aber sehr klar ist, dass sie in Lebensgefahr schwebt. Und so endet dieser Band mit einem Cliffhanger, der natürlich auf den kommenden Band neugierig machen soll. Die Spannung hält sich in Grenzen. Vielleicht sollte man bei dieser Krimi-Reihe wirklich mit dem ersten Band beginnen und sich dann langsam vorarbeiten.