Nele Neuhaus: In ewiger Freundschaft, Ullstein Verlag, Berlin 2021, 525 Seiten., €24,99, 978-3-550-08104-0
„Sie hatten sich seit Schulzeiten gekannt und nie aus den Augen verloren, selbst dann nicht, als sie geheiratet und Kinder bekommen hatten. Aber was verband sie? Reichten gemeinsame Jugenderinnerungen tatsächlich als Grundlage für eine lebenslange Freundschaft aus, oder handelte es sich eher um alte Bekannte, die ihre Vergangenheit glorifizierten? Nur – warum taten sie das? Heike Wersch zumindest hatte ihren alten Freunden nicht alles erzählt, und als sie Unterstützung brauchte, war keiner von ihnen bereit gewesen, ihr zu helfen.“
Nele Neuhaus umkreist in ihrem neuen Seiten starken Roman die Geschehnisse rund um eine Verlegerdynastie und die Abgründe derjenigen, die sich mit Literatur beschäftigen und durchaus nicht die besseren Menschen sind. Bleibt die Frage, ob Verlage einfach nur gemanagt werden müssen, so als würde man eben nicht Fleisch oder Autos verkaufen, sondern nur Bücher oder sollte ein Verleger und seine LektorInnen ( so es diese überhaupt noch gibt ) doch etwas von Menschen und Literatur verstehen. Kurzum, es geht um Erpressung, Betrug, Eitelkeiten, Lügen und Vertrauensbrüche und vor allem mehrfachem Mord, dessen Aufdeckung nach gut dreißig Jahren vieles in neuem Licht erscheinen lässt. Dass Autoren bei Nele Neuhaus wie eitle Knallchargen dargestellt werden, mag dahingestellt sein.
Im zehnten Fall geht es für die Ermittler Pia Sander und Oliver von Bodenstein um das renommierte Verlagshaus Winterscheid in Frankfurt a.M., das kurzzeitig zu versinken drohte, aber nun durch einen neuen Manager wieder auf gutem Kurs ist. Der junge, gut ausgebildete Carl Winterscheid ist nach Hessen zurückgekehrt und hat seinem Onkel Henri das Steuer aus der Hand genommen. Allerdings waren nicht alle Verlagsmitarbeiter mit den Veränderungen zufrieden. Insbesondere die bei den Autoren sehr anerkannte, aber oftmals streitsüchtige Lektorin Heike Wersch intrigierte gegen den neuen Verlagsleiter und wurde fristlos entlassen, als sich herausstellte, dass sie die Absicht verfolgte, ihre Autoren zu ihrem neu zu gründenden Verlag mitzunehmen. Ein Desaster für den Winterscheid Verlag. Die Buchmesse steht vor der Tür und der Nachfolger von Heike Wersch, der ruhige Alexander Roth, hat als trockener Alkoholiker wieder zur Flasche gegriffen. Im Zuge dieser Schlammschlacht hat die Kettenraucherin Wersch auch gleich einen ihrer Autoren, den berühmten Severin Velten, diskreditiert, dessen letztes Werk ein Plagiat war. Er wollte sich finanziell nicht an ihrem neuen Verlag beteiligen. Nun ist Heike Wersch verschwunden. Vermisst gemeldet wurde sie von ihrer langjährigen Freundin und Literaturagentin Maria Hausschild. Da Maria Hausschild auch die Agentin vom Pathologen Henning Kirchhoff ist, dem Ex-Mann von Pia Sander, der neuerdings erfolgreich Kriminalromane nach wahren Fällen schreibt, soll sich auch gleich Pia um den Vermisstenfall kümmern. Die Kollegen im Kommissariat tragen natürlich boshaft weiter, dass der Pathologe nur die Fallakten abgeschrieben habe.
Nele Neuhaus erzählt genüsslich von der Buchbranche, die sie ja bestens kennt. Sie schreibt bis ins Detail von erfolgreichen Autoren, die ein Publikum haben und jenen, die als moderne Klassiker kein Mensch lesen will, aber von der Literaturkritik in den Himmel gehoben werden. Natürlich fehlt auch nicht der Seitenhieb auf einen unbeliebten Literaturkritiker, der die ihm nicht genehmen Romane in die Mülltonne donnert.
Als der entstellte Leichnam von Heike Wersch tief im Wald gefunden wird, beginnen die Ermittlungen vor allem im Verlag und in ihrem Freundeskreis. Denn Heike Wersch hat für ihre Verlagsneugründung nicht nur den ehemaligen Verlagsleiter und gleichzeitig jahrelangen Geliebten nach Geld gefragt, sondern auch ihre Freunde, insbesondere Maria, dann das Buchhändlerehepaar Litner und Alexander Roth. Alle verbindet ein Schicksal. Sie waren 1983 gemeinsam im Sommerurlaub mit Götz Winterscheid, dem Sohn von Henri Winderscheid, der auf der französischen Insel stark alkoholisiert zu Tode gekommen ist.
Seltsamerweise bekommt Carl Winterscheid ein altes Spielzeugauto aus seiner Kindheit zugesandt und ein Manuskript mit dem Titel „In ewiger Freundschaft“, dass seine Mutter geschrieben hatte. Sie hat allerdings Selbstmord begangen, als der Junge sechs Jahre alt war. Als er dieses Manuskript dann der jungen Lektorin Julia Bremora übergibt, ahnt diese schnell, dass sie die Hälfte eines Schlüsselromans in Händen hält, dessen Handlung die Geschehnisse auf der Insel Noirmoutier wiedergibt. Als dann auch noch Alexander Roth an einer Methanolvergiftung stirbt, beginnt Julia allein zu recherchieren.
Daneben muss Oliver von Bodenstein seine privaten Probleme lösen. Seine Ex-Frau Cosima benötigt eine Lebertransplantation, für die sich von Bodenstein mit Erfolg hat testen lassen. Immer mehr jedoch nimmt der häusliche Streit mit Karoline, seiner derzeitigen Frau, und ihrer gestörten Tochter Grete zu. Von Bodenstein muss für sich und seine jüngste Tochter eine Entscheidung fällen.
Immer wieder nimmt Nele Neuhaus ganz unbescheiden Bezug auf vorangegangene Fälle, die in ihren neun Romanen eine Rolle gespielt haben. Zu lang dreht sich, von einigen Wendungen abgesehen, die Handlung im im Kreis, um im letzten Teil wirklich noch spannend zu sein. Da hätte Nele Neuhaus Lektorin auch beim umfangreichen Personal ruhig kürzen können.