Hiltrud Baier: Helle Tage, helle Nächte, FISCHER Krüger Verlag, Frankfurt a.M. 2018, 351 Seiten, €20,00, 978-3-8105-3038-7
„Als Marie später zur Toilette gegangen war, hatte Anna den Zettel herausgefischt. Es war Petters Adresse in Jokkmokk gewesen. Schnell hatte sie den Zettel eingesteckt. So hatte alles begonnen.“
Anna ist die ruhige und vernünftige ältere Schwester von Marie, der wilden, lebensfrohen, die so gern lacht. Beider Mutter Ibba hatte ihr deutscher Vater in der Kriegszeit in Schweden kennengelernt. Ibba ist Samin und stammt aus Lappland. Schwanger folgt die Mutter dem Vater Richtung Süddeutschland und wird ihr Heimatland nie wiedersehen. Obwohl Annas Vater seine Frau sehr liebte, richtig glücklich ist sie in der neuen Umgebung trotz ihrer Kinder, Marie und Anna, nie geworden und schon früh verstorben.
Aus Annas Sicht, sie ist jetzt Anfang 70, also Jahre später, wird die Geschichte erzählt. Auch Marie kam früh bei einem Autounfall, als ihre Tochter Frederike zehn Jahre alt war, ums Leben. Ihr Mann Georg nahm sich das Leben und so wuchs die Kleine bei ihrer Tante Anna auf.
Jetzt ist Frederike einundfünfzig Jahre alt. Sie hat sich einen Kleinbus gekauft, in dem sie auch schlafen kann und bereist die Welt, denn ihre Ehe ist in die Brüche gegangen.
Auch aus ihrer Perspektive nimmt der Leser Anteil am Geschehen.
Anna stellt fest, dass sie schwer erkrankt ist und beschließt, einer lebenslangen Lüge ein Ende zu setzen. Sie schickt Frederike mit einem persönlichen Brief zu Petter Svakko hoch in den Süden von Schweden nach Jokkmokk in Lappland. Geheimnisvoll klingt alles, was Anna erzählt und doch kann sich Frederike keinen Reim auf diese ganze Geschichte machen. Im Briefumschlag an Petter steckt auch ein Brief an sie, was sie jedoch noch nicht weiß.
Spannend und zugleich mit einer ungeheuren Ruhe geschrieben liest sich dieser Roman, der stellenweise poetisch Land und Leute beschreibt, andererseits leider ins Kitschige abrutscht, wenn es heißt:
„Petters Augen und die Augen von Frederike blitzten, ja, sie sprühten vor Energie, und sie waren so tief wie die kristallklaren Seen der Berge Lapplands.“
Und doch, Hiltrud Baier erzählt von einer unerfüllten Liebe, in die zwei Menschen sich hineingesteigert haben. Für den einen war es das Tor zur Welt, für den anderen eine tiefe Sehnsucht, die sowieso nie erfüllt werden konnte. Fast alle Figuren in der Handlung befinden sich an einem Lebensabschnitt, an dem sie wissen, etwas Neues könnte beginnen oder alles könnte enden.
Der positive Ausklang sei trotz vieler Täuschungen vorweggenommen, denn die Reaktion Petters auf den Brief von Anna verblüfft nicht nur Frederike, sondern auch den Leser.
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