Gytha Lodge: Was ich euch verschweige, Aus dem Englischen von Kristian Lutze, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2022, 413 Seiten, €18,00, 978-3-455-01449-5

„Nachdem er zu dem Schluss gekommen war, dass sie eine manipulative Psychopathin war, die versucht hatte, jeden zur Strecke zu bringen, der sich ihr in den Weg gestellt hatte, ertappte er sich bei neuen Zweifeln.“

Als die blutüberströmte Keely Lennox plötzlich vor dem Ermittler Jonah Sheens steht, ahnt dieser nicht, welche riesigen Probleme auf ihn zukommen werden. Gerade Vater geworden, ist Sheens besonders anfällig für jede Form des Kindesmissbrauchs. Und doch wird er einfach nicht schlau aus diesem intelligenten, wie schwierigen sechzehnjährigen Mädchen, dass mal apathisch wirkt und dann wieder total durchtrieben.
Und die Frage steht im Raum, was ist mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Nina passiert. Hat sie jemand entführt? Hat Keely ihr etwas angetan?
Keely will noch nicht über Nina sprechen, sie möchte, dass die Ermittler sich ihre Geschichte anhören und endlich verstehen, was die beiden Mädchen in den letzten sieben Jahren erleiden mussten. Offenbar hat niemand, auch von den sozialen Behörden, ihnen je wirklich zugehört.
Was ist den beiden Mädchen in den Pflegefamilien und auch Heimen geschehen?
Als die Mutter der Kinder starb, der Vater hatte sich bereits aus dem Staub gemacht, landen die wohlerzogenen Mädchen im Heim. Aber sie haben Glück und entkommen den Demütigungen durch die anderen Kinder und landen in einer gut situierten Pflegefamilie. Sally und Henry Murray-Watt haben bereits einen Pflegesohn, Callum Taylor. Als dieser den Mädchen rät schnellstens zu verschwinden, meint er es nur gut. Allerdings glaubt Keely, dass er nur eifersüchtig ist.
Als sich Jonah Sheens die Akten der Mädchen bringen lässt, wird klar, sie haben nicht nur diese Pflegefamilie angezeigt, sondern auch zwei weitere Männer, mit denen sie auf einer vertraulichen Basis zu tun hatten. Wem glauben die Behörden? Was ist in den Pflegefamilien wirklich geschehen?
Aussage steht gegen Aussage. Dass die Murry-Watts die Mädchen in einen Keller in ihrem Haus bei Ungehorsam eingesperrt haben, konnte nicht nachgewiesen werden. Keely allerdings lernt bei der ersten Pflegefamilie zu täuschen, zu lügen und zu manipulieren. Sie spürt die ungeheure Abhängigkeit Sallys von ihrem gefühllosen Ehemann Henry. Oder ist es doch völlig anders? Keely, Callum und Nina werden systematisch gegeneinander ausgespielt, gedemütigt und emotional erpresst. Wobei Nina eher diejenige ist, die durch ihre sanfte Art und ihren Gehorsam dem Ehepaar am liebsten ist. Langsam beginnen, laut Aussagen von Keely, all ihre negativen Gefühle sich auf Nina zu übertragen. Sheens denkt, dass Keely ihrer Schwester vielleicht etwas angetan hat. In der nächsten Pflegefamilie werden die Mädchen nun 12 und 14 Jahre sexuell missbraucht. Und auch hier hilft niemand den unschuldigen Kindern. Auch hier kann Keely nichts beweisen.
Ein Pfleger steht ebenfalls auf Keelys Liste, denn er hat sich ebenfalls an den Mädchen vergangen.
Drei Männer stehen auf Keelys Hassliste und gegen diese drei hat das Mädchen, dem niemand geglaubt hat, Beweise gesammelt, die die Polizei nun finden soll und endlich für Gerechtigkeit sorgen.
Doch die Polizei glaubt Keely, die mit all ihren Erfahrungen selbst eine gebrochene, unberechenbare Person geworden ist, nicht. Es finden Befragungen statt und klar wird, wenn die Ermittler und Ermittlerinnen Keelys Erzählungen genau zuhören und auch die Details ernst nehmen, werden sie Nina finden und die wahren Schuldigen.

Psychologisch ausgefeilt, zeigt Gytha Lodge die Schwachstellen in den Behörden, wenn es um die Betreuung von Schutzbefohlenen geht.

Spannend zu lesen, gar keine Frage, aber in vielen Passagen zu ausufernd.