Fabio Geda: Ein Sonntag mit Elena, Aus dem Italienischen von Verena von Koskull, hanserblau in der Carl Hanser Verlag GmbH, 240 Seiten, €20,00, 978-3-446-26795-4
„In dem Moment sagte er sich – vielleicht nicht so deutlich, wie ich es jetzt tue, doch als er es mir Jahre später sagte, war er unmissverständlich -, dass sich Dinge nur wiedergutmachen lassen, wenn man Fehler zulässt; wenn man akzeptiert, welche gemacht zu haben; und mehr noch, als es den anderen einzugestehen, muss man es sich selbst eingestehen: Wenn man seine Bereitschaft, sich zu ändern, nur in alle vier Winde brüllt, droht sie sich im Schrei zu erschöpfen.“
Ein Brückenbauingenieur, der die Welt gesehen, in Venezuela, aber auch Afrika und Nahost gearbeitet hat, weilt nach Jahren fern der Heimat und Familie im Ruhestand. Vor acht Monaten ist seine Frau Marcella bei einem tragischen Autounfall, sie war nicht die Verursacherin, verstorben. Nun sitzt er in seiner schönen Wohnung in Turin und hatte sich alles ganz anders vorgestellt. Seine jüngster Sohn lebt in Helsinki, seine älteste Tochter Sonja wohnt mit der Familie entfernt von Turin und die jüngste Tochter Giulia arbeitet beim Theater immer an anderen Orten. Aber zwischen ihr und dem Vater herrscht momentan Funkstille.
Über eine längere Strecke fragt sich der Leser, wer erzählt hier eigentlich aus der Ich-Perspektive? Erst ab der guten Mitte wird klar, die Erzählerin ist Giulia. Als wollte sie mit der Beschreibung der Lebenssituation des Vaters, den Erinnerungen an die Kindheit und den Reflexionen über das Schreiben selbst Nähe herstellen. Oder ist alles nur fiktiv und gar nicht erlebt?
Der siebenundsechzigjährige Vater jedenfalls hat sich nicht ohne Tränen das Rezeptbuch der Mutter gegriffen, um für die Familie von Sonja zu kochen. Ein Novum! Doch die Tochter muss das Essen absagen, denn Rachele, eines der Enkelkinder, ist vom Kakibaum gefallen. Sie wollte die Früchte für den Opa pflücken, der Kakis nicht mal gern isst. Racheles gesundheitlicher Zustand ist bedenklich, sie hat ihren Arm gebrochen und wahrscheinlich auch eine Gehirnerschütterung. Telefonate zwischen allen Familienmitgliedern gehen hin und her.
Mit dem ganzen Essensberg nun allein lädt der Vater eine fremde Frau und ihren Sohn, die er auf dem Skaterplatz beobachtet, zu sich nach Hause ein. Elena hat vor kurzem ihren Job verloren, wenig Geld und sie möchte dem quengelnden Sohn keine Pizza kaufen. Zwischen beiden Fremden entstehen wunderbare Gespräche, wie sie vielleicht nur zwischen Fremden geführt werden können.
Beide, der Vater aber auch Elena, sind eigentlich Menschen, die eher auf Distanz gehen. Doch durch die Lebendigkeit von Gaston, dem Sohn von Elena, entsteht eine gewisse Leichtigkeit.
Der Vater kann über sich und seine Probleme und Gedanken, die seine Familie betreffen sprechen und auch Elena öffnet sich und erzählt vom Vater ihres Sohnes und ihren Problemen. Aus der Sicht des älteren Menschen macht der Vater Elena, die fünfunddreißig Jahre alt ist, Mut zu einem neuen beruflichen Anfang. Für den Vater ist der Besuch der beiden Fremden Ablenkung und Bereicherung zugleich. Rachele wird sich erholen, die Familie wird zusammenrücken und der Vater wird auch durch Elenas Einfluss wieder mit seiner Tochter Giulia sprechen.
Enden wird der Roman mit einer letzten Begegnung zwischen dem Vater und Elena und seinem Tod mit achtzig Jahren.
Unaufgeregt und in wunderschönen sprachlichen Bildern erzählt Fabio Geda vom Leben italienischer Familien, in denen nicht alles perfekt ist und die trotzdem zusammenhalten und sich gegenseitig Kraft geben.
Schönes handliches Format!