Sadie Jones: Die Skrupellosen, Aus dem Englischen von Wibke Kuhn, Penguin Verlag, München 202, 457 Seiten, €22,00, 978-3-32860104-3
„Sie ging nach oben in ihr Zimmer. Dan blieb unten. Sie hatte gewusst, dass er bleiben würde. Er tat es nicht, weil er sie liebte. Er tat es wegen des Geldes. Sie schloss die Augen.“
Nichts ist so verführerisch wie finanzielle Sicherheit. Doch wer ist schon immens reich aus eigener Hände Arbeit? Wahrscheinlich niemand, auch nicht Bea Durrants Vater Bernard Adamson, Griff genannt. Als gern fluchender, anmaßender und ziemlich vulgärer Immobilienhai hat er dubiose Geschäfte getätigt und konnte doch immer seinen Hals aus der Schlinge ziehen.
Bea hat sich völlig von ihm und von ihrer klapperdürren, wie depressiven Mutter Liv abgewandt. Nur Alex ihr sieben Jahre älterer Bruder spielt noch eine Rolle in ihrem Leben. Als ausgebildete Psychotherapeutin verdient Bea ihr eigenes Geld. Sie fühlt sich innerlich stark und unantastbar. Als sie Dan kennenlernt und sich in ihn verliebt, googelt er kurz Beas familiären Hintergrund und akzeptiert ihre klare Distanz zum Millionen schweren Vater. Zur Hochzeit taucht Beas Vater, der Dan etwas missbilligend als „gemischtrassiger Herkunft“ bezeichnet, kurz auf, um wieder schnell zu verschwinden.
Dan arbeitet als Immobilienhändler, hasst aber seinen Job und wäre lieber Künstler. Bea und Dan wissen, dass sie beide Geld verdienen müssen, um über die Runden zu kommen. Immer wieder jonglieren sie mit ihren Finanzen und wissen doch, dass es einfach schwierig ist, die Kredite abzubezahlen. Bea, die ein bisschen rundlich ist, kleidet sich nicht sonderlich geschmackvoll. Dan hingegen, dessen Vorfahren aus Jamaika stammen, ist äußerst gutaussehend. Das Paar beschließt nun, trotz klammer Finanzen, eine dreimonatige Pause einzulegen. Danach soll Dan überlegen, in welche Richtung er beruflich gehen will. Sie kaufen ein altes Auto und reisen zuerst nach Burgund, zum jüngeren Bruder Alex, der dort ein Hotel betreibt. Alex ist das schwarze Schaf in der Familie und war auch drogenabhängig. Bea kennt die Ursachen für Alex‘ Verunsicherungen. Sie hat gesehen, wie ihre Mutter Liv den Sohn missbraucht hat. Das ist auch der Grund, warum die Tochter mit der Mutter nicht sprechen kann und sie kaum erträgt.
Alex als Hotelbesitzer ist ein Desaster. Bea erkennt schnell, dass nicht ein Gast hier je gewohnt hat und alles von ihrem Vater finanziert wird. Als Alex bei einer Erledigung für den Vater mit dem Auto tödlich verunglückt, reisen die Eltern aus London an.
Durch den nahen Kontakt zum herrischen Griff, gewinnt Dan immer mehr Einblicke in die Familienverhältnisse von Bea und ist völlig geblendet von all den Immobilien in großen Städten und der Tatsache, dass Griff einen Jet besaß. Allerdings stellt sich heraus, dass Alex ermordet wurde und auch Dan muss sich den Verhören der französischen, eindeutig rassistischen Polizisten stellen. Niemand glaubt ihm, dass er als Schwarzer es nicht auf Beas Geld abgesehen hat. Auch Griff demütigt den unsicheren Schwiegersohn, um ihn sich gefügig zu machen. Dan tappt in die Falle und versucht Bea dazu zu bringen, doch ihren Treuhandfond in Anspruch zu nehmen. Zu gern hätte er ein Haus, Kinder, finanzielle Unabhängigkeit und gesellschaftliche Anerkennung. Die Trauben hängen hoch und er möchte sie unbedingt kosten. Griff bietet Dan Jobs an, bei denen er richtig Geld verdienen könnte. Dass Griff dabei den Vermittler unseriöser Geldgeber aus Malaysia spielt, scheint Dan kaum zu interessieren. Beas Verhältnis zu ihrem Mann wird immer angespannter. Als Griff dann berichtet, was sein Sohn Alex für ihn wirklich erledigen sollte, wird deutlich, welches Mordmotiv den Täter bewogen hat gnadenlos zuzuschlagen. Und er wird es wieder tun.
Sadie Jones konstruiert für ihren neuen Roman einen spannenden Plot, in dem moralische Integrität äußerst schwach auf skrupellose Machenschaften stößt. Psychologisch überzeugend zeigt die britische Autorin, was mit Menschen geschieht, die immer brav ihre Steuern zahlen und doch nie auf einen grünen Zweig kommen werden. Beas taktische Verweigerung der finanziellen Zuwendungen ihres steinreichen Vaters klingen zwar heroisch, bergen aber viel mehr Konfliktpotenzial als sie sich vorstellen konnte.
Clevere Geschichte über ein zeitnahes gesellschaftliches Problem weltweit!