Natalie Buchholz: Der rote Swimmingpool, Hanser Berlin im Carl Hanser Verlag, München 2018, 284 Seiten, €19,00, 978-3-446-25909-6
„Überall ist er, mein Vater. Selbst unter Wasser. Es scheint keinen Ort zu geben, an dem ich nicht an ihn denken muss. Ich weiß nicht, wie mein Vater das macht. Wie er es hinkriegt, mich einfach aus seinem Leben zu kicken. Als existierte ich nicht. Als hätte ich nie existiert.“
In Adams Leben ist alles perfekt. Im Gegensatz zu seinen Freunden lieben sich seine Eltern, Wiktor und Eva, immer noch. Die Eltern von seinem Freund Tom leben auch zusammen, benötigen aber ständige Streitereien, um sich noch zu spüren. Wenn Adams attraktive Mutter in den eigens vom Vater für sie erbauten Swimmingpool mit den roten Kacheln springt, ist die Welt in Ordnung. Adams Mutter stammt aus Frankreich, sein Vater aus Polen. Geld ist genug da, denn Adams Vater arbeitet als erfolgreicher Unternehmensberater in München. Trotz vieler Dienstreisen des Vaters hält die Beziehung der Eltern stand und das bisher gut siebzehn Jahre. Erstaunlich ist, dass Adams Eltern und er im Gespräch sind, jeder respektiert den anderen. Es besteht eine gute Kommunikation, was nicht wirklich die Regel nach Pubertät und erstem Ausprobieren von Drogen, Alkohol oder Zigaretten ist.
Allerdings muss etwas Schlimmes geschehen sein, denn langsam wird klar, dass Adam als Altenpfleger Sozialstunden ableisten muss. Bei der kranken Frau Schedel lernt Adam ihre Urenkelin Tina und ihren schrecklich fetten Kater kennen. Wie magisch zieht Tina Adam an, wäre da nicht Tom, der sich immer in alles einmischen muss.
Aus Adams Sicht erfährt der Leser nun nach und nach, wie Adams Familie Stück für Stück zerbricht. Nie weiß der Leser mehr als Adam. Sehr nah an Natalie Bucholz‘ Erzähler taucht er wie gebannt in die Geschichte ein.
Als Evas Schwester stirbt, reisen Adam und seine Mutter zum Onkel nach Paris. Seltsam ist, dass Adams Vater sich weder meldet, noch zur Beerdigung kommt. Adams Mutter behauptet, der Vater würde aus ihrem Leben von heute auf morgen verschwinden. Doch warum? Hat er eine andere Frau? Hat er die Familie angelogen und schämt sich? Adam spioniert dem Vater hinterher und weiß nun, dass Wiktor ein Verhältnis mit seiner Kollegin hat.
Immer wieder versucht Adam zum Vater einen Kontakt herzustellen, ein Gespräch in Gang zu bringen. Doch dieser wehrt den Sohn ab, bittet um Zeit, die er benötigt, um mit allem klarzukommen. Auch Adams perfekte Mutter lässt den Sohn im Ungewissen, spricht nicht mit ihm, ist der Meinung, dass er mit seinen fast achtzehn Jahren ja nun erwachsen sei.
Adam ist völlig von der Rolle, purzelt aus dem Nest ohne Vorwarnung und ist bei Weitem nicht der Erwachsene, den sich seine Eltern vorstellen. Er ist völlig berechtigt wütend und verunsichert, denn auch seine Mutter verschwindet aus seinem Leben. Sie geht ohne ihn zurück nach Frankreich. Sicher muss Adam sein Abitur noch machen und er hat Pläne, will Medizin studieren.
Als dann Adams Vater auch noch mit der neuen Frau und deren zwei Kleinkindern in das ehemalige Haus mit dem roten Swimmingpool einzieht, entlädt sich endlich Adams Wut und der Leser ist erleichtert. Adam ist inzwischen in der Nähe des Vaters in eine WG gezogen. Sein Mitmieter Sven ist ein ziemlich ekliger Typ, aber zum Glück sind sich Tina und Adam näher gekommen und Adam ist schwer verliebt.
Vor dem inneren Auge des Lesers spielt sich ein typisches Szenario ab. Adams Vater hat sich eine neue, kleine Familie zugelegt, denn er liebt seine Frau nicht mehr. Er hat sie belogen und betrogen.
Aber so ist es nicht, im Gegenteil. Als Adam dann auch noch sieht, dass der Vater, der ihm vehement einen Hund verweigert hat, seinen neuen Töchtern zwei Welpen schenkt, brennt bei Adam eine Sicherung durch und ein schrecklicher Gedanke bricht sich ausgelöst durch einen unglücklichen Zufall Bahn.
Lebensnah, in einer Sprache, die jung ist und doch nicht anbiedernd, entfaltet sich die Handlung um Adams Enttäuschung, bitteren Erkenntnisweg und seine blitzschnelle Entlassung aus dem Nest der Familie.
„Vielleicht sehen Eltern in Kindern immer nur das, was sie sehen möchten, denke ich. Vielleicht ist das das ganze Geheimnis. Vielleicht findet man erst dann zu sich selbst, wenn man das, was die Eltern in einem sehen, von dem trennt, was man wirklich ist.“
Natalie Buchholz‘ Roman ist sicher für jugendliche Leser eine interessante Lektüre, die viele Fragen aufwirft, direkt auch sexuelle Erfahrungen beschreibt und Diskussionen provoziert.
Absolut lesenswert!
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