Amanda Cross: Der James Joyce – Mord – Ein neuer Fall für Kate Fansler, Aus dem Amerikanischen von Monika Blaich und Klaus Kamberger, Dörlemann Verlag, Zürich 2021, 288 Seiten, €18,00, 978-3038-2009-63

„….klingt es Ihrer Meinung nach wirklich wie ein typisch ländliches Verbrechen? Für mich hat das Verbrechen eher etwas Metaphorisches.“
„Joyceanisches, meinen Sie?“ fragte Linda.
„Jedenfalls Literarisches.“
„Das sehe ich nicht so“, sagte Kate.“

Drei Literaturprofessorinnen unterhalten sich über einen tatsächlichen Mord in der ländlichen Idylle von Massachusetts. Doch war dieser Mord wirklich geplant oder vielleicht doch eher ein Unfall, ein Versehen oder gar ein Unglück?
Alles beginnt so harmlos im Sommer 1966. Kate Fansler, Professorin für Englische Literatur, soll im Auftrag der Erbin und Nonne Veronica, sie ist die Tochter des berühmten und kürzlich verstorbenen Verlegers Sam Lingerwell, die Papiere und Briefe ihres Vaters, u.a. auch von James Joyce in seinem Haus in Araby durchsehen. Als wissenschaftlichen Assistenten hat sich Kate Emmet Crawford an ihre Seite geholt und auf ihren Neffen Leo soll ebenfalls ein Doktorand namens William Leneham aufpassen. Zu Besuch kommen Kates Verehrer, der Bezirksstaatsanwalt von New York, Reed Amhearst, die Freundin von William, Lina und die emeritierte Professorin Grace Knole, die sich kleidet „wie eine schlecht angezogene Vogelscheuche“. Die belesenen Frauen legen nicht viel Wert auf Äußerlichkeiten oder gar Häuslichkeit, um so mehr lieben sie das intellektuelle Gespräch. Und so lehnt Kate auch den Heiratsantrag von Reed ab, denn sie hält es mit dem Lyriker Rainer Maria Rilke, der die Beziehung zweier Menschen eher so sieht, wie „zwei Kreise, die sich berühren.“ In der näheren Umgebung lebt ebenfalls ein gut betuchter Literat namens Paddy Mulligan, der allerdings nicht nur schnell dahin geworfene Sachbücher über Literaturtheorie geschrieben hat, sondern auch Verfasser von reißerischen Schmökern ist, auf die ein gut gehender Verlag eigentlich nicht verzichten kann. Als Nachbarin lernen alle die unerträglich laut sprechende Mary Bradford kennen, die sich selbst für ihren Arbeitsfleiß rühmt und zu gern fiese Gerüchte über ihre Nachbarschaft streut. Ein unerträgliches Weib, dass, und nun wird es ungemütlich, durch einen Schuss aus einem Gewehr, dass eigentlich keine Munition enthalten sollte, getötet wird.
Leo und William wollten eigentlich nur spielen. Sie zielten mit dem Gewehr auf die feiste Mary Bradford und machten sich einen Spaß daraus. Kate wusste davon, Mulligan wusste es und wer weiß, wer noch. Allerdings nahmen alle an, dass die angedeuteten Schießübungen wirklich gewaltfrei seien. Doch wer hat nun das Gewehr heimlich mit Munition gefüllt? Und wo ist das Motiv? Denn gemeines Gerede über die Nachbarn kann nicht unbedingt der Grund sein, die arme Mrs Bradford zu erschießen. Oder doch? Da auf dem Land die Ferienhäuser nie abgeschlossen werden, könnte jeder Zugang zum Gewehr gehabt haben.
Die Polizei verhaftet William. Natürlich stellt sich auch die Frage, ob nicht Leo, das Kind, geschossen hat und William sich nun vor den Jungen stellt.
Der steife, nicht unbelesene Polizeibeamte von Berkshire County, Mr, Stratton, übernimmt die Ermittlungen. Erstaunlich gelassen geht der Farmer Bradford mit dem plötzlichen Tod seiner Frau um. Seltsamerweise trifft Kate Fansler eine junge Frau im Haushalt von Mr Bradford, die auch noch schwanger von ihm ist.

Viele unterhaltsame Gespräche der Sommergäste umkreisen nun natürlich Werk und Leben von James Joyce, Referenzen an weibliche Autorinnen, wie Doris Lessing, Colette oder Simone de Beauvoir, aber auch Themen, die sich mit der Keuschheit des Mannes vor der Ehe beschäftigen. Einige Konflikte stehen im Raum, aber muss man wirklich dafür einen Menschen töten? Kate Fansler kann sich nicht zurückhalten und beginnt, Fragen zu stellen. Als sie jedoch zum Verlag nach New York fahren will, scheint jemand ihr eine Falle zu stellen. Ihr Freund Reed, der wie ein extrem schlank gewordener Trevor Howard aussieht, steht ihr natürlich bei.
Kate verliert James Joyce und die Unterlagen des alt ehrwürdigen Verlegers aus den Augen und ahnt nicht, was jemand anders inzwischen entdeckt hat.

Weder sich noch die Welt allzu ernst nehmend hangelt sich Amanda Cross‘ Protagonistin mit Witz, trockenem Humor und einer guten Portion Neugierde durch die Handlung. Ausufernde Gespräche treiben die Geschichte voran und sparen alle möglichen Beschreibungen der üblichen Polizeiarbeit wohltuend aus.
Intelligente Unterhaltung, sehr lesenswert!