Louise Penny: Das verlassene Haus, Der dritte Fall für Gamache, Aus dem kanadischen Englisch von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck, Kampa Verlag, Zürich 2020, 479 Seiten, €16,90, 978-3-311-12011-7
„Er ließ sich in einem Sessel nieder, bestellte einen Scotch und eine Lakritzpfeife und sah aus dem Fenster, während das Unwetter über Three Pines herfiel, und er fragte sich, wer ein Interesse daran haben könnte, eine todkranke Frau umzubringen.“
Chief Inspector Armand Gamache spürt schon länger das zwischen ihm und seinem Freund Superintendent Brébeuf etwas nicht stimmt. Nach der Verhaftung des Superintendenten Arnot ist klar, dass noch nicht alles ausgestanden ist. Immerhin hat Gamache den korrupten Vorgesetzten ans Messer geliefert und wenn es etwas zwischen Kollegen gibt, das nicht stattfinden darf, dann ist es Illoyalität.
Und nun dieser Fall in Gamaches Lieblingsdorf Three Pines. Eine Frau wurde bei einer Sèance im schrecklichsten Haus des kleinen Dorfes zu Tode erschrocken. Herzinfakt. Threes Pines liegt kaum zwei Autostunden von Montreal entfernt. Hier wohnt eine eingeschworene Gemeinschaft von Menschen, die sich mögen und viel Zeit miteinander verbringen. Es sind Künstler, miserable Dichter und vor allem ist es ein Ort, in dem es sogar eine Buchhandlung gibt.
Gamache reist mit seinem Team an, denn der Arzt, der den Tod von Madeleine Favreau festgestellt hat, ließ noch eine Blutuntersuchung machen. Heraus kam, dass die Tote eine hohe Dosis an Ephedra, Diätpillen im Blut hatte und diese sind in Kanada verboten. Die immer strahlend gut gelaunte Madeleine hat bei Hazel Smyth, einer eher unscheinbaren, allen helfenden Frau, gewohnt. Nein, sie waren kein Paar, sondern einfach nur Freundinnen, die sich mit Anfang vierzig wiedergefunden haben und nun gemeinsam seit fünf Jahren in einem Haus wohnen. Madeleine hatte sich gemeldet als ihre Ehe in die Brüche ging und Brustkrebs bei ihr diagnostiziert wurde.
Gamaches beginnt mit den Recherchen und fühlt sich langsam in die Dorfgemeinschaft ein. Er ist ein ausgezeichneter Beobachter, und wenn er etwas kann, dann zuhören.
„Er achtete auf Gefühle. Er sammelte Emotionen. Weil Mord etwas zutiefst Menschliches war. Es ging nicht darum, was die Leute taten. Nein, es ging darum, was sie fühlten, weil damit alles anfing. Manche Gefühle, die einmal menschlich und natürlich gewesen waren, hatten sich ins Gegenteil verkehrt.“
Zwei Sèancen fanden an Ostern in Three Pines statt, einmal die am Karfreitag und dann die im verlassenen Haus. Als Medium fungierte Jeanne Cauvet, eine Frau und Hexe, die eigentlich nur ruhige Tage im Dorf verbringen wollte und die von Gabri, dem Inhaber der kleinen Pension, dazu sichtlich gedrängt wurde. Über Ostern ist Hazels Tochter Sophie zu Besuch. Bei den Befragungen durch die Polizei verhält sie sich seltsam distanziert, wenn es um den Tod des vierundvierzigjährigen Opfers geht.
Verschachtelt erzählt die kanadische Autorin nun zwei Fälle, es geht nochmals um die Nachwirkungen des Arnot-Falles, in denen die Familie von Gamache zutiefst gedemütigt wurde und um das verlassene Haus und den erneuten Mord in seinen Räumen.
Letztendlich dreht sich in diesem spannenden Krima alles um Eifersucht auf allen Ebenen, zwischen Kollegen, in Familien, zwischen Freunden und sogar dem ansässigen Künstlerehepaar Clara und Peter.
Niemand ist davor gefeit und niemand soll behaupten, er kenne dieses Gefühl nicht.
Fein ist die Sprache der Autorin und feinsinnig sind ihre Beobachtungen des Seelenlebens ihrer Protagonisten. Ein intelligentes Lesevergnügen.