Barbara Frandino: Das hast du verdient, Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl, Folio Verlag, Wien 2021, 168 Seiten, €22,00, 978-3-85256-834-8
„Nachts herrscht Waffenstillstand. Wir schlafen nah aneinander, manchmal halten wir uns an der Hand. Die Dunkelheit neutralisiert das Gift. Am Vormittag vergiften wir einander wieder.“
Claudia Pichler lebt als Ghostwriter ein zurückgezogenes Leben, ihr Mann Antonio steht im Rampenlicht, denn er ist Moderator einer TV-Sendung in Mailand. Beide sind seit Jahren für die Außenwelt glücklich verheiratet und doch scheint es, in der Beziehung zu rumoren. Die einstige innige Verbundenheit bis in den Schlaf weicht anderen Gefühlen.
„So vergeht die Zeit, in Form kleiner Verluste.“
Im Wechsel von Szenen aus der Gegenwart und Erinnerungen an vergangene Ereignisse erzählt Barbara Frandino aus der Sicht von Claudia. Sie hat die Oberhand und sie spielt diese auch gnadenlos aus. Als Antonio von der Leiter fällt, als er sich gerade um den Granatapfelbaum seiner Vorfahren kümmert, holt Claudia eine Stunde zu spät Hilfe. Der Arzt, mit dem sie später eine Affäre haben wird, weist sie darauf hin. Antonio wird sich zwar von seinem Infarkt erholen, aber die nicht geleistete Hilfe schwebt wie ein Damoklesschwert über dieser Beziehung. Schnell wird klar, was in Claudia seit einigen Wochen vor sich geht. Sie hat von Antonios Beziehung zu Anna erfahren und auch, dass sie ein Kind von Antonio erwartet. Er hat es ihr gesagt, wobei er mehr Angst vor der Presse als vor der eigenen Frau hat.
Gesprächspartner für Claudia sind ihre Mutter, die an alten Verhaltensmustern festhält, die Schwester Lucia und eine Meditationslehrerin, für die Claudia ein Buch schreiben soll.
Als Hintergrundwissen wird dem Leser noch offenbart, dass Claudia in ihrer jungen Ehe schwanger wurde und beide sich zu einer Abtreibung entschlossen hatten.
Es wird viel geschwiegen, auch in Claudias Ehe. Weder der Schädling und Riss im Granatapfelbaum, noch die unterschwellige Aggressivität und Gewalt der Ehepartner noch der verzweifelte Versuch in einer Affäre Ablenkung zu finden oder in der Sehnsucht nach einem eigenen Kind bringt Claudia und Antonio dazu, sich zu trennen.
Sie kommunizieren über Zettelbotschaften, drücken auf die neuralgischen Punkte, sind genervt von den Eigenheiten des anderen und spielen immer mit der Idee, vielleicht doch auszuziehen.
Barbara Frandino seziert eine Beziehung, die einst glücklich begann und in der die Partner trotz eindeutiger Verletzungen nicht voneinander lassen können. Ist es die Angst vor Veränderung, die Furcht vor dem Alleinsein oder auch das Auskosten des Hasses auf den anderen – es bleibt unbeantwortet. Der Granatapfelbaum wird gefällt und das Leben geht weiter.
Barbara Frandino vermag es, in diesem schmalen Band ohne ein Wort zu viel vom Innenleben einer Frau zu berichten, die kurz vor den Wechseljahren steht. Vielleicht ist gerade dieser Zeitabschnitt für Entscheidungen der ungünstigste. Mag die Meditationslehrerin ihre Hilfe anbieten, die Konflikte mit ihrem Ehemann, der sich kaum emotional auseinandersetzen will, wird sie allein lösen müssen.
Die Leserin jedenfalls bildet sich ihr eigenes Urteil, die eine hat vielleicht Verständnis, die andere wirft das Buch am Ende verzweifelt in die Ecke.