Eugene Chirovici: Das Echo der Wahrheit, Deutsch von Silvia Morawetz und Werner Schmitz, Goldmann Verlag, München, 318 Seiten, €20,00, 978-3-442-31450-8
„Irgendwo, Hunderte Meilen weit entfernt, lag ein Mann im Sterben, umringt von Gespenstern, inmitten eines Vermögens, das ihn vor nichts und niemanden mehr schützen konnte. Und er hatte mich nicht nur an die Hand genommen und in sein Spukhaus geführt, sondern auch meine eigenen Albträume wieder aufleben lassen.“
Dr. James Cobb, anerkannter Arzt und Therapeut, wird am Ende seines Vortrages in New York in ein Gespräch mit einem gewissen Joshua Fleischer verwickelt. Cobb kennt diese Typen, die ihn ansprechen und seltsame Dinge erzählen, aber bei Fleischer scheint alles doch seriöser zu sein.
Der Vierundsechzigjährige ist schwer krank und erhofft durch die Hypnosetherapie von Copp eine Bewusstseinserweiterung. Cobb lässt sich mit allen juristischen Sicherheiten ausgestattet auf einen Deal ein, der ihn lang noch über den Tod von Fleischer hinaus beschäftigen wird. Josh Fleischer ist ein extrem reicher Mann, der nun in Maine lebt und sein Vermögen als Sponsor in wohltätige Projekte gesteckt hat. Unverheiratet und kinderlos beschäftigen ihn kurz vor seinem Tod nur die Ereignisse in einer Nacht im Oktober 1976 in Paris.
Als Cobb vor seiner Reise nach Maine in der Kanzlei von Fleischer alle Papiere einsieht, äußert der Anwalt Fleischers Bedenken gegen Cobbs Fähigkeiten als Therapeut. Ihm war nach Recherchen die Geschichte vom Selbstmord einer Patientin, Julie, zu Ohren gekommen.
Ungeachtet dessen fährt Cobb nach Maine und beginnt seine Arbeit mit Fleischer, der ihm in klaren Momenten von sich und seinem Leben in Paris erzählt.
Allerdings bleibt immer die Frage, in wieweit trügt auch unter Hypnose den Patienten nicht seine Erinnerungsfähigkeit.
„Tatsächlich lügen Patienten unter Hypnose nicht, nicht so, wie es es im Wachzustand tun würden, wenn sie die Lüge zur Selbstverteidigung brauchen, als eine der Waffen im natürlichen Arsenal unseres Selbstschutzes. Das Problem ist: Was jemand als ‚Wahrheit‘ mitteilt, stimmt nicht unbedingt mit der Realität überein.“
Joshua Fleischer wirkt auf Cobb extrem freundlich, aber auch unnahbar, dem Gesprächspartner zugewandt und doch distanziert. Letztendlich glaubt Fleischer, dass er in dieser gewissen Pariser Nacht seine Geliebte, Simone Duchamp, getötet hat. In seiner Erinnerung war er mit einem Freund, Abe Hale, und Simone in einem Hotelzimmer. Er stand unter Drogen, ist eingeschlafen und als er aufwachte, fand er Simone erschlagen in der Badewanne. In seiner Verzweiflung glaubt er, dass er der Mörder ist und verfrachtet den Leichnam in einen Koffer. Doch als die Polizei ihn mit diesem Koffer befragt, liegen nur Klamotten darin. Panisch tritt Fleischer die Rückreise in die Staaten an und hat angeblich Abe nie wieder gesehen. Diese völlig verwirrte Geschichte, in der die unterschiedlichen finanziellen Verhältnisse von Abe, der nichts hat und Simone und Josh, die jeweils aus wohlhabenden Familien stammen, eine Rolle.
Cobbs Therapie führt letztendlich zu keinem schlüssigen Ergebnis und nur kurze Zeit später ist Fleischer verstorben. Doch Cobb kann Fleischers Erzählungen nicht vergessen, denn warum z.B. wurde er nach Simones Verschwinden nie als Verdächtiger befragt. Cobb engagiert einen Privatdetektiv und dieser trägt eine Materialsammlung zusammen, die sich aus Tagebüchern und Berichten von Zeitzeugen zusammensetzt. Von allen möglichen Seiten, u.a. in den Aufzeichnungen eines Jack Bertrand zeichnet sich dieser Abend völlig anders ab, ist Fleischer ein ganz anderer Mensch als Cobb ihn gesehen hat. Allerdings ist Bertrand auch ein anderer, nämlich Abe Hale.
Dieser landet in der Psychiatrie wegen paranoider Schizophrenie, nachdem er eine Prostituierte, die für ihn eine gewisse Simone gespielt hat, tötete. Immer wieder dreht sich diese Geschichte, die absolut spannend und schlüssig erzählt wird, um die Frage, was ist wirklich passiert, wer ist wer und wer ist psychisch krank.
Ehe Cobb dann wirklich in Frankreich den Fall für sich klären kann, vergehen viele Gespräche, Schilderungen und Umwege. Ohne zu viel zu verraten, darf gesagt werden, Fleischer war nicht der Täter.
Gut konstruiert, durchaus bewegend und spannend liest sich dieser Roman von Eugene Chirovici, den man erst nach der letzten Seite erleichtert aus der Hand legt.
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