Katherine Applegate: Crenshaw – Einmal schwarzer Kater, Aus dem Amerikanischen von Brigitte Jakobeit, Sauerländer Verlag, Frankfurt a.M. 2016, 217 Seiten, €11,99, 978-3-7373-5427-1
„ Ich erzählte niemandem von unserer Obdachlosigkeit. Nicht mal Marisol. Ich konnte einfach nicht. Wenn ich nicht darüber redete, würde es vielleicht nie wieder passieren.“
Jackson liebt Genauigkeit, klare wissenschaftliche Fakten und keine Hirngespinste. Als er sieben Jahre alt war, und das war wirklich spät, tauchte in seiner Vorstellung ein schwarz-weißer Kater plötzlich auf einem Skateboard auf. Das war die Zeit als die Familie ihr Haus aufgeben und in ihrem Minivan leben musste, denn Jacksons Vater erkrankte an Multipler Sklerose und die Mutter verlor ihre Arbeit als Lehrerin. Nun arbeitet sie in mehreren Schichten als Kellnerin und schafft es doch nicht, die vierköpfige Familie mit Hund durchzubringen. Drei Jahre später lebt die Familie nun in einer Wohnung und auch hier kann sie nicht bleiben, denn der Vermieter steht bereits mit dem Räumungsbefehl vor der Tür. Jackson lauscht an den Türen, wenn er seine Eltern reden und streiten hört. Ihn ergreift die Angst, die seine Eltern eigentlich mit ihrem Zweckoptimismus wegreden wollten. Doch Jackson kann nicht mit seinen Freunden ins Fußballcamp fahren, seine Sachen sind immer zu klein und oft haben er und Robin, seine kleine Schwester, nichts zu essen.
Und dann ist er wieder da – jetzt ein übergroßer Kater, der sich im Badzimmer der Familie erst mal ein schönes Bad gönnt. Crenshaw liebt lila Geleebohnen, genauso wie Jackson.
Aber Jackson will seinen imaginären Freund, der natürlich immer nur dann auftaucht, wenn es richtig schwierig wird, loswerden. Crenshaw jedoch bleibt hartnäckig und sagt dem Jungen, dass er dem Menschen, der ihm am wichtigsten ist, die Wahrheit sagen soll. Als hätte der Junge nicht schon genug Probleme, immerhin hat er schon mal in einem Laden gestohlen und nun quälen ihn die Gewissensbisse. Auch Marisol, seine beste Freundin, will er nicht einweihen. Nach und nach verschwinden die Möbel und Dinge, mit denen die Kinder gespielt haben, aus der Wohnung. Doch darf man als Erwachsener einem Kind die schwierige Wirklichkeit, die Ängste, mit denen man sich selbst herumschlägt, zumuten? Jackson ist der Meinung, ja:
„Manchmal komme ich mir wie der einzige Erwachsene in der Familie vor. Darum hätten meine Eltern eigentlich wissen sollen, dass sie mit mir wie mit einem Erwachsenen reden können.“
Jackson will einfach nur, dass seine Eltern nichts vor ihm verheimlichen, ihm mitteilen, dass sie wieder die Wohnung verlassen müssen, ihm sagen, wie es weitergehen wird. Aber so einfach ist das alles nicht, denn die Eltern wissen ja selbst nicht, wie die Zukunft aussehen wird. Crenshaw jedenfalls bleibt, auch wenn er nicht wirklich helfen kann.
Katherine Applegate greift ein schwieriges Thema auf, dass Morton Rhue bereits literarisch bearbeitet hat – Obdachlosigkeit in den USA. Jacksons Eltern geben sich alle Mühe, sind nicht asozial oder drogensüchtig, sie sind einfach richtig arm, bedingt durch Arbeitslosigkeit und Krankheit. Wie ein Kind sich angesichts dieser Misere fühlt, darum geht es in dieser feinfühligen Geschichte, in der alle Sympathien auf der Seite von Jackson und seiner Familie sind.
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