Charlotte Link: Dunkles Wasser – Ein Kate-Linville-Thriller, Blanvalet Verlag, München 2024, 576 Seiten, €25,00, 978-3-7645-0443-4

„Es folgte ein etwas verworrener Bericht, von dem Kate zwei wesentliche Informationen am Ende relevant schienen: Caleb hatte irgendwo in der Einöde in Frankreich eine einunddreißigjährige Engländerin aufgegabelt, ohne Geld, ohne Papiere, ohne Handy. Und: Deren Freundin, mit der sie sich auf einer Ferienreise an die Côte d’Azur befunden hatte, war mitsamt dem Auto, mit dem die beiden unterwegs gewesen waren, spurlos verschwunden.“

Endlich zum Detective Inspector befördert vergräbt die ständig akribisch arbeitende Kate Linville sich immer noch in ihrer Einsamkeit in Scarborough und flieht sogar in ihrer Angst vor dem realen Leben vor den Hochzeitsfeierlichkeiten eines Freundes. Nur mit dem ehemaligen Ermittler Caleb Hale, der jetzt als Taxifahrer arbeitet, kann sie sich entspannen, obwohl sie diejenige war, die eine mögliche Zweisamkeit mit Caleb zunichte gemacht hat. Aber auch Caleb kommt nicht klar und hat wieder eine Alkoholfahne, und das nach drei Entzügen. Und dann reist er auch noch nach Südfrankreich, um Urlaub zu machen, was für den Workaholic Kate nie in Frage käme.
Dort trifft er in einer sehr einsamen Gegend an einer Brücke eine junge Engländerin, die allein auf ihre Freundin wartet. Iris Millard, heute Iris Shaw, leidet an Geophyrophobie, d.h. sie kann keine Brücke überqueren, außer sie ist sediert. Durch diese Zufallsbekanntschaft rollt Caleb Hale, der immer noch an seinem Polizistenjob hängt, einen Cold Chase, die Kilbride – Morde im Jahr 2008, auf. Iris ist mit sechzehn Jahren einem grausamen Verbrechen entkommen, indem sie unter einer Brücke an der schottischen Küste Zuflucht gesucht hatte. Ihr Vater, ihre Mutter, ihre kleine Schwester und zwei unbeteiligte Menschen sind in der Sturmnacht beim Campen von drei oder vier Männern brutal misshandelt und getötet worden. Ein absolutes Trauma, dass ihr Leben für immer überschattet. Nun, fünfzehn Jahre später, wird Iris von einem Stalker verfolgt. Die Polizei ist hilflos, denn niemand kann sich erklären, warum vielleicht einer der Mörder Iris töten will, die angeblich niemanden in der Mordnacht gesehen hat. Trotzdem reist die junge Frau mit ihrer Freundin Tanya Richtung Marseille. Tanya wollte eigentlich nur kurz ins Hotel in der Nähe von Avignon fahren und dann einen Weg suchen, um die Brücke zum Hotel zu umfahren. Caleb kümmert sich nun um Iris, die eine attraktive, junge Frau ist und verliebt sich in sie. Auch wenn er weiß, was Kate für ihn empfindet, bittet er sie um Hilfe bei der Suche nach Tanya, die einfach genervt von der anstrengenden Iris mit ihrem VW-Bus allein weiterfahren ist.
Charlotte Link erspart in ihrem Thriller den Lesenden nicht ein grausig geschildertes Detail und sie beginnt mit einem Selbstmord einer zutiefst vom Leben geschlagenen Frau, die sich von der Arbeit zurückkehrend im Angesicht ihres kranken Mannes und Sohnes von ihrem Balkon stürzt.
Und sie lässt einen der Mörder, ein unerträglicher Monolog, von den Geschehnissen berichten.
Und dann ist da noch ein Fall, den DCI Pamela Graybourne, Kates Chefin, ihr übergibt. Sie muss nach der vierzehnjährigen Eva Hanson suchen, die zwei Wochen später trotz Erpressung und einem Versuch, das Geld zu übergeben, offenbar erwürgt, aufgefunden wird. Ihr Vater, Taylor Hanson, ein angesehener wie aggressiver Anwalt schiebt alle Schuld am Tod seiner Tochter Kate in die Schuhe.
Doch sie ahnt, auch durch Gespräche mit der Mutter der besten Freundin von Eva, dass möglicherweise der Vater seine Tochter missbraucht hat. Schnell wird Kate der Fall entzogen und sie kann weiter im Kilbride – Fall mit Caleb, der kaum befugt ist, ermitteln.
Kate wird herausfinden, wer Iris‘ Stalker ist und sie wird hinter die Identitäten und die Motive der brutalen Mörder gelangen.

Charlotte Link schafft es trotz Gewaltexzessen, deren Brutalität durch junge Männer kaum auszuhalten ist, immer wieder, einen überzeugenden Plot zu entwickeln, der sich einem Puzzle gleich im Laufe der Handlung plausibel zusammensetzt. Wichtig sind ihr die Brüche in den Biografien ihrer Ermittler, die in diesem Thriller hart an ihre Grenzen gehen und sogar ihren persönlichen Einsatz mit dem Leben bezahlen.

Nichts für sensible Gemüter und spannend, wie berührend bis zur letzten Seite!

Eine Besprechung eines weiteren Kate-Linville Romans aus dem Jahre 2022 ist unter folgendem Link zu finden:

Charlotte Link: Einsame Nacht