Bernhard Jaumann: Caravaggios Schatten, Verlag Galiani Berlin, Berlin 2021, 302 Seiten, €15,00, 978-3-86971-197-3
„ Nicht sehen und doch glauben. Der Anrufer hatte sich anscheinend die Quintessenz der Bibelepisode vom Ungläubigen Thomas zu eigen gemacht. Nur war er nicht Jesus, nur waren Klara und ihre Kollegen nicht bedeutend ungläubiger als der Apostel, und schon der hatte mit seinen eigenen Händen nachfühlen müssen. Ohne Begutachtung des Gemäldes ging überhaupt nichts.“
Rupert von Schleewitz betreibt mit seinen Mitarbeitern, Klara Ivanovic und Max Müller, in München eine gediegene Kunstdetektei, ohne wirklich spektakuläre Fälle zu bearbeiten. Manchmal geht es um die Provenienz von Kunstwerken oder auch Verdacht auf Fälschung. Doch dieser neue Fall wird alle Dimensionen sprengen, die Rupert von Schleewitz bei der Gründung der Kanzlei so angedacht hatte. Alles beginnt mit diesem unsäglichen Klassentreffen der ehemaligen Schüler des Sankt-Georg-Internats in Rannertskirchen. Hier trifft Rupert seinen Zimmerkameraden Alban Posselt wieder. Dieser arbeitet in der Verwaltung in Potsdam und forderte Rupert auf, doch mal vorbeizukommen, wenn er vielleicht in Berlin ist. Nichts ahnend klingelt Rupert einige Zeit später bei Alban an der Tür. Vor Freude führt er ihn in die Gemäldegalerie in Sanssouci. Ruperts Arbeitsfeld ist zwar die Kunst, aber dass er nun in seiner Freizeit Galerien besucht, kommt kaum vor.
Ein einziges Gemälde will Alban seinem ehemaligen Freund unbedingt zeigen: „Der ungläubige Thomas“ aus dem Jahr 1601 von Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio. Es ist schon ein sehr verstörendes Bild, das zeigt, wie Thomas nach der Auferstehung Jesus Christus zweifelnd in seiner Wunde mit dem Finger herumstochert. Alban fordert Rupert immer wieder auf, sich das Bild genau anzusehen. Dieser hat keine Vorstellung davon, was er sehen soll und kann sich kaum rühren als Alban plötzlich ein Messer zieht, zum Bild stürmt und auf das Kunstwerk gnadenlos einsticht.
Alban bleibt vorerst im Brandenburger Gefängnis, Rupert wird, da ihm nichts nachzuweisen ist, entlassen. Doch dann steht ein Herr Hansen vom Brandenburgischen Innenministerium in der Kanzlei und bittet Rupert die Aufspürung des Kunstwerkes diskret zu übernehmen und auch eine Übergabe mit entsprechender finanziellen Ausstattung durchzuführen. Leider wurde der „Ungläubige Thomas“ auf dem Weg zur Restauration mit brutalen Mitteln gestohlen. Keine Versicherung wird in diesem Fall einspringen, denn das Bild ist unbezahlbar und somit auch nicht versicherbar.
Interessiert sich Rupert kaum, warum Alban so heftig das Bild zerstören wollte, so beginnt Max Müller im Internat zu recherchieren. Hier stößt er auf einen Todesfall von einem Lehrer, von dem die ehemaligen Schüler sehr widersprüchliche Aussagen machen. Für Max ist klar, dass es auch für Alban um eine Wunde gehen muss, die nicht geschlossen ist.
Klara, der nicht ganz wohl bei diesem Fall von Artnapping ohne Einschaltung der Polizei ist, kann einen Lockvogel mit Geld ausfindig machen und den Entführern eine Falle stellen. Diese tappen auch hinein und erste Verhandlungen beginnen über den Umweg in die Schweiz.
Allerdings wird sich herausstellen, dass Herr Hansen nicht Herr Hansen ist und die Täter es wirklich sehr ernst meinen.
Bernhard Jaumann philosophiert in seinem mäßig spannenden Roman gern über künstlerische Fragen, Maltechniken und der Rolle des Caravaggio in seiner Zeit und er beschreibt wortreich, was seine Figuren alles so erleben und denkt sich auch für Klara einen störrischen Vater mit Parkinson aus, der ganz arglos mit angeblichen öden Landschaften gemalt von AH handelt. Vieles in diesem Plot um dilettantisch agierende Kunstdiebe und Hintergründe von Taten, die Jahrzehnte später erst ans Licht kommen, ist ziemlich vorhersehbar. Denn leider gehen bei den Hinweisen auf Lehrer und Internatsschüler beim Leser alle Lichter an.
Ein Pluspunkt ist, dass am Ende nicht alles schön säuberlich geklärt ist, denn so ist das Leben einfach nicht.