Peter Richter: August, Carl Hanser Verlag, München 2021, 253 Seiten, €22,00, 978-3-446-26763-3
„Oft lagen jetzt sechs Erwachsene am Pool. Richard sah es so: Der Hofstaat auf der Mauler Mansion, wie er seinen Bungalow manchmal nannte, umfasste nun eben auch eine Amme und einen Beichtvater. Vera hätte auf beides lieber verzichtet, aber was sollte sie machen als nicht zahlender Gast. Alec hingegen verfolgte beides mit einer Art zoologischem Interesse.“
Der exaltierte Berliner Richard Mauler mit dem Haifischlächeln hat seine Freunde Alec und Vera Kline samt kleiner Tochter Sarah im August nach Long Island in seinen Bungalow eingeladen. Vera stammt aus Thüringen und arbeitet als Ärztin in New York, ihr Mann Alec, der auch aus den USA stammt, aber lang in Berlin gelebt hat, schreibt als Intellektueller an seinem Buch, von dem niemand, auch Alec nicht so richtig weiß, worum es eigentlich gehen soll. Der Sommer bei Richard wird ihn jedoch inspirieren und vielleicht die Leere füllen, mit der alle Figuren ringen. Richards Frau Stefanie, sie kommt aus Darmstadt, gibt sich als Weltbürgerin und Gesundheitsfanatikerin. Bereits am ersten Tag wünscht sich Vera wieder nach Hause, denn Stefanies hellseherische Fähigkeiten und Belehrungen nerven und ihr „Counselor“ aus Wien, der „rein energetisch-fühlend“ unterwegs ist, wird demnächst mit am Pool sitzen und Vorträge halten: über die Sterne, Zuckerkugeln, heilende Steine, Pendel, alles, wofür die Krankenkasse nicht zahlt. Stefanie ist nicht bereit normales Sprudelwasser zu trinken, es muss das zu 25 Dollar die Flasche aus Kalifornien geliefert werden.
Mit „der hauchenden Achtsamkeits-Stefanie“ in ein Restaurant zu gehen, ist eine Peinlichkeit sondergleichen, denn sie behauptet, sie sei aus Konservierungs- und Zusatzstoffe allergisch. Damit sie sich nicht, man kann es sich ja leisten, um ihren dreijährigen Sohn Scott Francis kümmern muss, engagiert Richard die attraktive Schweizerin Charlotte, die mit den Kinder Französisch sprechen soll.
Vera und Alec, der links denkende Akademiker, fühlen sich unter den Hedgefondmanagern, die in ihren riesig gebauten Villen mit tausend Schornsteinen, nicht sonderlich wohl.
Veras leichte Fluchttendenzen kommen immer wieder hoch, doch sie hat die Wohnung in Brooklyn über Airbnb vermietet.
Oberflächlich betrachtet sind gut betuchte Leute am Pool zu sehen. Geht man jedoch in die Tiefe, dann brodeln ganz andere Konflikte zwischen den Paaren. Richard steht finanziell doch nicht auf so stabilen Füßen und Stefanie, einst im Musikbusiness tätig, braucht einen Mann, der ihre Lebensweisheiten finanziert. Auch Alec und Vera tragen ihre Konflikte aus, zumal Alec’s Augen erst auf Stefanie und dann auf Charlottes Körper zu lange ruhen. Als Alleinverdienerin ist Vera doch oft ungehalten über Alecs Gleichgültigkeit und Versessenheit auf Gleichberechtigung.
Peter Richter hat einige Jahre als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in den USA gelebt. Er weiß, wovon er schreibt und er zeigt eine Gesellschaft von Phänotypen, die auch irgendwo in Düsseldorf oder im Prenzlauer Berg sitzen könnten, die aus Langeweile oder Frust skrupellose Schamanen benötigen oder sich für Diktatoren begeistern.
Alles humorvoll erzählt und doch irgendwie nicht komisch.
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