Anette Hinrichs: Nordlicht – Tod in den Fluten, Blanvalet Verlag, München 2023, 432 Seiten, €12,00, 978-3-7341-1207-2
„Doch vielleicht hatten die Schwangerschaft und der Mord rein gar nichts miteinander zu tun. Bislang wusste schließlich niemand, wie es zur Tat gekommen war und was sich zuvor an Bord der ‚Valeria‘ abgespielt hatte. Nur eines war sicher. Unter den dreiundvierzig Personen befand sich ein Mörder. Oder eine Mörderin.“
Trotz starkem Wind und wirklich heftigem Seegang findet auch in diesem Jahr der Kundenevent der Sønderjylland Bank statt. Zahlungskräftige Dänen wie Deutsche und die Bankangestellten amüsieren sich allerdings mehr unter Deck auf der „Valeria“, als plötzlich der Ruf ertönt „Mann über Bord!“. Die junge, sehr ehrgeizige Bankerin Saskia Niekamp ist seit dem Segeltörn verschwunden und dann wird ihre Leiche gefunden. Sie wurde stranguliert und wahrscheinlich noch lebend ins Meer geworfen.
Wieder bildet sich die Sondereinheit, die an der Grenze von Deutschland und Dänemark ihre Ermittlungen durchführt. Dabei sind wie immer die Kriminalbeamten Pernille Larsen, Jens Greve, Luis Silva und natürlich als Hauptermittler von der deutschen Seite Vibeke Boisen und von der dänischen Seite Rasmus Nyborg.
Wer die vier „Nordlicht“ – Vorgängerbände bereits kennt, weiß um die privaten Hintergründe der Ermittler. Anette Hinrichs zieht diese wie einen roten Faden durch ihre Kriminalromane und muss allerdings immer wieder erneut davon berichten, da sie nicht davon ausgehen kann, dass die Lesenden im Bilde sind. Versucht Vibeke professionelle Distanz zu Rasmus aufzubauen, so ist dieser doch sehr enttäuscht, denn er schätzt seine Kollegin sehr. Im gemeinsamen Fall ist erneut akribische Polizeiarbeit gefragt und an dieser lässt Anette Hinrichs die Lesenden explizit teilhaben.
Es geht um Befragungen, um Rückschlüsse, um Analysen und sogar einen alten Fall, der Vibeke Boisens Vater, ebenfalls Polizist, seit Jahren schwer zu schaffen macht. In der Flensburger Förde wurde vor gut zwanzig Jahren eine junge Frau tot aufgefunden. Auch sie wurde stranguliert und ins Wasser geworfen. Nie konnte die Polizei ermitteln, wer diese Frau war und wie es zu dieser Tat kommen konnte.
Aus unterschiedlichen Perspektiven, aus der von Vibeke und Rasmus, aber auch aus dem Blickwinkel von Jonas Sødergren und Marie Jansen, erzählt die Hamburger Autorin nun von den Ermittlungsarbeiten. Es stellt sich heraus, dass das Opfer durchaus nicht nur die allseits freundliche und arbeitstüchtige Bankerin war, wie sie von allen beschrieben wurde. Ihre ältere Kollegin Marie Jansen hat Saskia am Anfang für ihre teure Designerkleidung und ihren Ehrgeiz bewundert, doch sie hat auch ihre skrupellose Seite gesehen, den Instinkt einer Aufsteigerin aus einfachen Verhältnissen und vor allem ihren Egoismus. Zu gern würde Marie sich von ihrem ignoranten Ehemann Elmar trennen, der weder sie noch ihre Arbeit schätzt. Doch sie kommt mit ihrer loyalen Arbeitsweise in der Bank nicht voran. Aus der Perspektive des jungen Künstlers Jonas Sødergren, der sich von seiner wohlbetuchten Familie distanziert hat, wird klar, dass Saskia die Sødergrens ziemlich ausgenutzt hat. Der ältere Bruder von Jonas, Malthe, war sehr in sie verliebt und mit dem Vater Dan, einem hoch angesehenen Segler in Dänemark, hatte sie ein Verhältnis. Was Jonas mit ihr erlebt hat, wird sich erst am Ende des Romans klären und somit auch wichtige Hinweise auf Saskias Doppelleben offenbaren. Vielleicht war sie zu schlau für diese Welt, in der nur die Reichen und Schönen ihr Geld vermehren können. Allerdings sind diejenigen, die auf die Schnelle ein Vermögen anhäufen möchten, eher die Ausnahme. Welche Kanäle und Möglichkeiten es auch durch Kryptowährungen geben kann, in diesem Roman kann man es erfahren.
Doch zurück zum Fall. Wer hatte auf dem Segelboot an diesem einen Tag die Gelegenheit, Saskia nahe zu kommen und warum musste sie sterben?
Um den roten Faden weiterzuspinnen, bekommt Rasmus Nyborg, der sich nie so gern an die Vorschriften hält, ausgerechnet als neue Chefin seine erste Liebe, Maja Eriksen. Und Vibeke erfährt, dass sie leibliche Großeltern hat, die sich jedoch nur kurzzeitig für sie interessiert haben.
Anette Hinrichs widmet sich in ihrem neuen Band dem leidigen und doch so viele bewegenden Thema GELD. Welche Auswirkungen der Mord an der unbekannten Frau, dem Cold Case, auf den heutigen Fall hat, wird dramaturgisch sehr geschickt von Anette Hinrichs gelöst.
Keine Frage, wer einmal angefangen hat die „Nordlicht“ – Krimis zu lesen, wird auf jeden neuen Band warten!