Amelie Fried: Traumfrau mit Ersatzteilen, Heyne Verlag, München 2022, 416 Seiten, €17,00,
978-3-453-27297-2

„In der Nacht nach meiner Rückkehr lag ich wach im Bett und dachte nach. Darüber, was ich in meinem Leben falsch gemacht hatte – aus verletztem Stolz, aus Trotz, weil ich gekränkt gewesen war. Und darüber, was ich jetzt auf keinen Fall mehr falsch machen wollte.“

Ist „Frau“ mit sechzig Jahren nicht irgendwo angekommen und kann sie nicht einfach sagen, so wie es ist, könnte es eigentlich bleiben? Was kann denn nun noch kommen? Warum sollte sie zu neuen Ufern aufbrechen? Nochmal etwas Neues beginnen und völlig anders leben oder lieben?
Cora Schiller, die nun recht erfolgreich als Paartherapeutin arbeitet, will an ihrem sechzigsten Geburtstag einfach im Bett liegen und relaxen. Doch nun reist sie mit ihrem eigentlich abwesenden Künstler – Ehemann Ivan ( Er ist zwar noch in Coras Nähe, hat sich aber nach ihrem fünfzigsten Geburtstag in eine nahe Wohnmöglichkeit ausquartiert. Fraglich bleibt auch, wovon er lebt, wenn er seine einstige Karrierechance aus künstlerischen Gründen versteht sich, abgebrochen hat. ) in ein Wellnesshotel. Kein sonderlich großer Erfolg. Gefeiert wird Tage später mit Sohn Paul und ungeliebter, kalter wie perfekter, künftiger Schwiegertochter und Freundinnen Uli und Hella. Beim Geburtstagsdinner für Cora, das Paul und Freundin Janina ausrichtet, erscheinen auch gleich noch Janinas Eltern. Ivan drückt sich vor dem Ereignis, um nicht aus der Rolle zu fallen. Klar wird, dass Janinas wohlhabende Eltern ihren Paul, der als Tontechniker seinen Weg gefunden hat, ganz offensichtlich für ihren Familienbetrieb „kaufen“ wollen. Das kann sie nur mit viel Alkohol und der Gewissheit, dass man seine erwachsenen Kinder loslassen muss, ertragen.

Wer die Bücher rund um Cora Schiller „Traumfrau mit Nebenwirkungen“ oder „Traumfrau mit Lackschäden“, die in zehnjährigen Abständen erschienen sind, nicht gelesen hat, findet sich trotzdem sehr schnell in der Handlung zurecht. Cora Schiller erzählt aus ihrer sehr eigenen Perspektive und lässt ab und zu ihre innere kritisch – sarkastische Stimme einfließen, die allen Beschönigungen zum Trotz die Wahrheit verkünden will.

Bestimmte Themen müssen mit sechzig ( Amelie Fried ist jetzt vierundsechzig Jahre alt.) Jahren nicht mehr abgehandelt werden, die da wären Veränderung des Körpers, Zunahme der Falten, der Speckröllchen trotz verzweifelter Diäten, Abnahme der Sehfähigkeit und und und ….
Und doch macht es der Autorin sehr viel Spaß, auf wunde Punkte hinzuweisen, z.B. Augenbrauen, die gezupft werden müssen, da sie drahtig sind wie Schamhaare.
Angesprochen werden in diesem leicht zu lesenden Roman auch tiefgründige Probleme, z.B. alles was Familien- und Berufsleben so an Höhen und Tiefen mit sich bringt. So trifft Cora ihren biologischen Vater und die Einladung zur Mammographie hebt Coras Geschichte allerdings auf eine nicht so komische Ebene. Aber womit sollte Cora nicht fertig werden? Ihr Noch-Ehemann kann mit Noras Mastektomie überhaupt nicht umgehen, aber wozu hat man Freundinnen? Die allerdings, insbesondere die unglückliche Uli verdrängt alles, was mit der Wahrheit zu tun hat und belastet ihr Verhältnis zu Cora.

Entscheidungen muss man leider auch mit sechzig Jahren fällen und vor Überraschungen ist man nicht gefeit. Cora wird beides erleben, ob im negativen oder positiven Sinne bleibt offen, denn eins ist sicher, Amelie Frieds Langzeitprojekt hat seine Reize und die Geschichten rund um Coras Verwandtschaft – und Bekanntschaft lesen sich unterhaltsam und regen in bestimmten Punkten zum Schmunzeln und Nachdenken ein.