Virginie Grimaldi: Unser Tag ist heute, Aus dem Französischen von Maria Hoffmann-Dartevelle, Penguin Verlag, München 2024, 336 Seiten, €17,00, 978-3-328-60329-0
„Ich mag Jeanne. Ich hab das Gefühl, viel fehlt nicht, damit sie ein wichtiger Mensch für mich wird. Sie hat es nicht darauf angelegt, hat nie versucht, sich bei mir einzuschmeicheln, sie ist einfach sie selbst, so was kommt nicht so oft vor.“
Jeanne verliert nach fünfzig Jahren Ehe ihren geliebten Ehemann Pierre. Und so spricht die Vierundsiebzigjährige mit ihm, wenn sie auf den Friedhof geht und so klammert sie sich an jedes Zeichen von ihm. Als sie von einem sogenannten Medium angerufen wird, das angeblich Kontakt zu Pierre habe, legt sie ihren letzten Euro auf den Tisch. Eigentlich müsste sie dieses Geld eher für ihre Unterhaltskosten ausgeben, denn die große Wohnung in Paris kann sie kaum mit ihrer Rente bezahlen. Dabei war Jeanne gut vierzig Jahre Schneiderin bei Dior. Eine Lösung muss her.
Parallel zu Jeannes Geschichte berichten auch Théo und Iris von ihrem Alltagsleben, das nicht gerade rosig aussieht. Théo, der sich immer wieder an seine Kindheit und Jugend mit der alkoholabhängigen Mutter und seinen Heimaufenthalten erinnert, ist trotz Bäckerlehre in der Großstadt obdachlos. Gern verdrängt er die Realität und träumt. Iris dagegen steht mit ihren dreiunddreißig Jahren auf beiden Beinen, so scheint es. Sie pflegt voller Empathie als ausgebildete Physiotherapeutin alte Menschen. Doch warum arbeitet sie nicht in ihrem Beruf, und warum versucht sie in Paris unterzutauchen? Ihre Gedanken kreisen um die Zeit mit Jérémy, einem Mann, der sich zu Beginn charmant und aufmerksam gibt, um dann sein wahres Gesicht zu zeigen. Jeanne ist mit ihm von Bordeaux weit fort nach La Rochelle gezogen. Er hat dafür gesorgt, dass sie kaum noch Kontakt zu ihren Freundinnen oder ihrer Familie hatte. Iris‘ ängstliche Mutter steht immer auf seiner Seite, denn sie wünscht sich so sehr eine intakte Familie für die Tochter. Iris ist nun schwanger und nachdem er sogar aus Kontrollsucht die Hand gegen sie erhoben hat, blieb ihr nur die Flucht. Théo und Iris werden Jeanne per Zufall treffen und sie werden glückliche Untermieter bei der einsamen Frau.
Alle drei berichten jeweils aus ihren Perspektiven vom anstrengenden Großstadtleben, aber auch dem Glück in einer kleinen Gemeinschaft, in der sie nach und nach aufeinander zugehen werden. Théo gewinnt immer mehr an Selbstvertrauen, wenn es um die Liebe, aber auch die beruflichen Fähigkeiten geht. Jeanne, die immer wieder Briefe von Pierre erhält, seine Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit, weiß endlich, wer da schreibt. Und Théo und Iris legen gemeinsam mit Jeanne dem sogenannten dubiosen Medium das Handwerk. Natürlich taucht der eifersüchtige und unberechenbare Jérémy auf, der mit allen Mitteln versucht, Iris wieder an sich zu binden.
Keine Frage, Virginie Grimaldi hat eine sanfte Wohlfühlgeschichte geschrieben, die sich aus vielen einzelnen Puzzleteilen zusammensetzt, ehe man die drei Hauptfiguren in ihrem Handeln versteht.
Doch neu ist dieses Erzählkonzept nicht und warum es so ein Bucherfolg in Frankreich war, bleibt unklar. Es mag die Sehnsucht in einer ungewissen Zeit nach dem Happy End sein und nicht nach den tragischen Abstürzen und dystopischen Untergängen.