Luis Sellano: Portugiesischer Pakt – Ein Lissabon – Krimi, Heyne Verlag, München 2024, 320 Seiten, €16,00, 978-3-453-44186-6
„Wenn es um die dunkle Vergangenheit dieses Landes ging, war die Regierung stets bestrebt, nichts von dem toxischen Staub aufzuwirbeln, den man auch nach einem halben Jahrhundert nicht restlos entfernen kann.“
Wer die Vorgängerbände über den kriminalistisch begabten deutschen Antiquar Henrik Falkner kennt, weiß, dass er sich am wohlsten in Lissabon fühlt, den kryptischen Buchanmerkungen seines Onkels im geerbten Antiquariat immer noch auf die Spur kommen will und mit der ziemlich eigenwilligen Polizistin Helena Gomes und ihrer Tochter Sara zusammenlebt. Doch der Familienfrieden ist leicht gestört, denn Falkner wurde durch einen Schuss im letzten Band schwer verletzt und kämpft nun mit den Folgen der Tat und seinen Depressionen wie Panikanfällen und Medikationen in diesem extrem heißen Sommer.
Helena Gomes jedenfalls freut sich auf den Schuleintritt ihrer Tochter Sara, obwohl sich eher Henrik auch aus Zeitgründen mehr um das Kind kümmert als sie. Zu einem Autounfall gerufen, zweifelt die leidenschaftliche Ermittlerin, dass der siebzigjährige Dr. Eusébio Monteiro sich in seinem Oldtimer einfach so totgefahren hat. Eine obdachlose Frau hatte der Polizei vor Ort von einem zweiten Wagen erzählt, der sie beinahe umgefahren hätte. Leider ist diese Zeugin schnell verschwunden.
Zeitgleich taucht in Henriks Buchladen im Chiado-Viertel ein distinguierter Herr auf, der sich als Dr. Tavares vorstellt. Er bittet den Antiquar, gegen gute Bezahlung für ihn eine bestimmte wertvolle Enzyklopädie zu ersteigern. Interessant ist, dass diese Veranstaltung kurz nach dem Tod Monteiros, von der Tochter initiiert, in seinem Haus stattfindet.
Parallel zur Handlung berichtet kursiv abgehoben ein gewisser Albuquerque 1974, kurz nach der Nelkenrevolution, tagebuchartig von Geschehnissen an der Universität und alteingesessenen Familien und ihrem Machtverlust.
Henrik ersteigert die 300 Jahre alten Esoterikbücher zu einem doch unerwartet hohen Preis. Allerdings erscheint Dr. Tavares nicht zum vereinbarten Treffpunkt, sondern wird kaum später verbrannt in seinem eigenen Haus gefunden. Inzwischen jedoch hatte Henrik schon mal bei Tavares, die Adresse hatte er natürlich von Helena, eine illegale Hausdurchsuchung durchgeführt. Allerdings verlief diese erfolglos, zumal er im siebten Band der Enzyklopädie ein verstecktes, verschlossenes Kuvert gefunden hatte, dass ihm gewaltsam von einem albanischen Clanmitglied abgenommen wurde.
Was stand nun in diesem Brief und warum sterben Männer um die Siebzig, die alle an der gleichen Universität studiert haben? Denn ein weiterer Mord wird als Selbstmord getarnt geschehen. Der Name des Opfers, Pierre Andrade, erscheint neben anderen in einer E-Mail, die Henrik von Dr. Tavares erhalten hatte. Doch was haben alle mit dem Chiado Turf Club zu tun?
Natürlich lag Helena richtig, als sie ihrem Vorgesetzten Ralha von ihren Vermutungen berichtete, denn auch die obdachlose Frau wurde tot aufgefunden.
Wie immer versuchen Helena und Henrik ihre gemeinsamen Ermittlungen vor Ralha geheim zu halten, weil dieser nichts von der Einmischung des Deutschen hält. Und dann ist da noch die unerwartete Hilfe der neuen Pathologin Dr. Sónia da Silva, die Helena allerdings sympathischer ist als der neue Kollege Sérgio Damasos, den sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht riechen kann.
Als dann jedoch der totgeglaubte Dr. Tavares plötzlich wieder auftaucht und mit ihm ein grausiges Geheimnis aus der Vergangenheit, wird es für Henrik und die Tochter von Monteiro lebensgefährlich.
Wie alles zusammenhängt, klärt sich natürlich in diesem wie immer gut geschriebenen Pageturner, dessen Protagonisten wirklich ambivalent handelnde, lebendige Figuren sind.
Eine der Hauptfiguren ist natürlich Lissabon, die Stadt mit dem besonderen Flair und den wirklich auch für Touristen anspruchsvollen hügeligen Straßen. Dass Henrik in diesem heißen Sommer da so seine Probleme hat, ist gut nachvollziehbar. Zum Glück glätten sich die Konflikte mit Helena und man darf auf den nächsten gemeinsamen Fall gespannt sein.