David Hewson: Die Medici-Morde, Ein Venedig – Krimi, Aus dem Englischen von Birgit Salzmann, Folio Verlag, Wien 2024, 313 Seiten, € 22,00 978-3-99037-154-1
„Es war ratsam, jeder neuen Story – oder Erfindung -, die Marmaduke Godolphine über den Tod des flüchtigen Medici auf Lager hatte, mit einem gewissen Maß an Skepsis zu begegnen. Dennoch erschien es mir offenkundig, dass alle Geschichten, die man bisher aufgetischt hatte, Lücken aufwiesen: Caroline Fitzroys, Bernard Hauptmanns und sogar – oder vor allem – die Erinnerungen des Mörders Francesco Bibboni.“
Eigentlich wollte der Erzähler dieser Krimigeschichte, der englische Archivar Arnold Clover, mit seiner geliebten Frau Eleanor, ebenfalls Archivarin, einen ruhigen Lebensabend im schönen Venedig verbringen. Doch kurz vor ihrer Übersiedlung starb Clovers Frau und nun lebt der Witwer seit drei Monaten ziemlich trübsinnig in der schönsten aller Städte. Und er sitzt jetzt auch noch bei den Carabinieri und soll Capitano Valentina Fabbri helfen, ein Verbrechen innerhalb eines Tages aufzuklären. Der Ermordete ist kein geringerer als der berühmte englische TV – Historiker, Sir Marmaduke Godolphine, den Clover einst aus entsprechender Entfernung beim Studium in Cambridge beobachten konnte. Um ihn herum kreiste damals der sogenannte goldene Zirkel, begüterte Studierende, die es zu etwas bringen würden. Auch diese Gruppe ist erneut in Venedig an seiner Seite. Der mittlerweile siebzigjährige Fernsehstar der BBC, seine Frau Felicity arbeitet als seine Produzentin, hofft nach einer längeren Pause auf einen neuen Vertrag bei einem amerikanischen Sender. Sein Coup sind angeblich zwei bisher unbekannte Briefe von Michelangelo, die belegen sollen, dass der unbescholtene Maler an den sogenannten „Medici – Morden“ beteiligt war. Der eitle wie sexsüchtige Godolphine, der so agiert, als sei ständig eine Kamera dabei, bezieht sich bei seinem Geheimnis, das es zu lüften gilt, auf die Morde an Alessandro und Lorenzino de Medici im 16. Jahrhundert. Am ersten Mord war Lorenzino beteiligt und musste nach Venedig fliehen und am zweiten Verbrechen ein Auftragsmörder.
Arnold Clover erzählt nun der cleveren Valentina Fabbri von der Enthüllung des Geheimnisses, denn er und sein bester Freund Luca Volpetti sollten nun im Auftrag von Godolphine die Briefe finden und übersetzen. Angekauft hatte er sie angeblich bei einem gewissen Grigor Wolff. Allerdings ist die Provenienz der Schriften nicht geklärt und das bereitete den beiden Archivaren natürlich Sorgen. Für Godolphine, der für seine populärwissenschaftlichen Filmchen allerdings nur gute wie spannende Geschichten benötigt, spielt dies keine Rolle.
Parallel zur Suche nach den Briefen, immerhin werden von Wolff, der leider verstorben ist, gut dreizehn volle Kartons aus Berlin angeliefert, dreht sich alles um die Auseinandersetzungen der einzelnen Personen des goldenen Zirkels mit Godolphine. Zum einen ist da sein ständig angetrunkener Lektor und Verleger, Godolphines unglücklicher Sohn, die sehr junge amerikanische Produzentin und zwei weitere Historiker, die über die Medici-Morde seriöse Sachbücher geschrieben haben.
Beim Lesen möchte man immer wieder auf eine Karte von Venedig schauen, denn David Hewson beschreibt unterhaltsam jeden Weg, jede Brücke, jede Kirche und jeden Platz, auf dem seine Figuren stehen, lässt ganz nebenbei stadtgeschichtliches Wissen einfließen und umkreist sogar mit Begeisterung die Tätigkeit eines Archivars.
Natürlich spielt in diesem Krimi auch die italienische Küche, immerhin betreibt Fabbris Mann ein angesehenes Restaurant, eine große Rolle und die Überflutung der historischen Stadt mit Touristen.
In dieser Kombination aus spannendem Plot, geschichtlichem Exkurs und atmosphärisch genauer Beschreibung überzeugt dieser Roman, auch durch seine interessanten Wendungen, die immer wieder ein neues Motiv für den Mord an dem um Aufmerksamkeit heischenden wie herzlosen TV-Star offenlegen.