Stephen King: Holly, Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt, Heyne Verlag, München 2023, €28,00, 978-3-453-27433-4
„Es fällt ihr immer noch schwer zu glauben, dass es sich bei diesem Jemand um Professor Rodney Harris handelt, den emeritierten Biologen und Ernährungswissenschaftler. Durchaus glauben kann sie, dass Emily seine Komplizin ist … oder eher er ihr Komplize.“
Schnell ist der nüchterne Erzählton gesetzt, in dem den Lesenden berichtet wird, dass der gut trainierte Jorge Castro, der 2012 mit seinen vierzig Jahren endlich auf seine Gesundheit achtet, sein einundvierzigstes Lebensjahr nicht erreichen wird. Es fällt nicht leicht der wirklich makabren Handlung zu folgen, wenn man beim Lesen nicht auf die nötige Distanz geht. Der Altmeister Stephen King lässt Grausiges im hübschen Universitätsstädtchen geschehen und die Täter sind wirklich sehr alte, durchaus freundliche und wie man vermutet, gebildete Mitbürger, ein Professorenehepaar.
Im Jahr 2021, also mitten in der Pandemie, tritt wieder Holly Gibney ( eine Figur aus anderen Romanen von King) auf den Plan. Holly ist mittlerweile Ko-Besitzerin der privaten Ermittlungsagentur „Finders Keepers“ und bearbeitet kleinere Fälle. Ihre Mutter ist eine begeisterte Donald Trump-Anhängerin, und natürlich hat sie ihrem Guru geglaubt und ist nun an Corona verstorben. Holly sinniert immer wieder in dieser tragischen Geschichte über ihr doch ziemlich schlechtes Verhältnis zu ihrer doch lieblosen, besitzergreifenden Mutter, der sie nie etwas recht machen konnte. Als die Mutter dann alles Geld in einem Versicherungsfond versenkt hatte, war die Stimmung zwischen beiden mehr als frostig. Da Hollys Partner, Pete Huntley, ebenfalls an Cornona erkrankt ist, muss Holly allein den Laden schmeißen oder vielleicht doch lieber pausieren. Als Holly dann die Anrufe von Penelope Dahl nicht mehr ignorieren kann, übernimmt sie einen Fall, der die mittlerweile fünfundfünfzigjährige Holly direkt in die Hölle schickt. Die Tochter von Penny, Bonnie, eine vierundzwanzigjährige Bibliothekarin, ist plötzlich verschwunden. Ein lapidarer Zettel mit dem Hinweis von Bonnie ( „Ich habe genug“ ) an ihrem Fahrrad soll belegen, dass sie das Weite gesucht haben soll. Die Polizei sucht nicht lang, aber Holly nimmt Bonnies Spur auf und erkennt im Laufe der Recherchen, dass nicht nur Bonnie einfach so vom Erdboden verschluckt wurde.
Die Lesenden wissen inzwischen, was geschieht, wenn die kranken Achtzigjährigen sich mit ihrem Rollstuhl auf Fleischsuche, und nicht mal vor Kindern zurückschrecken, machen und nach und nach verraten, was sie mit den Gefangenen veranstalten, um der Natur ein Schnäppchen zu schlagen und auf Eigenheilung hoffen. Welchen Anteil Donald Trump an der Verblödung dieses Paares hat, bleibt dahingestellt, gruselig ist es allemal, denn fast niemand verlässt den Käfig im anmutigen Haus im viktorianischen Stil der Alten, die technisch absolut auf der Höhe sind, auch wenn sie immer etwas senil tun, lebend.
Beim Versinken in diesen dicken Roman klammern sich die Lesenden Hilfe suchend an Holly, eine beeindruckende Frau, die wirklich über ihren Schatten springt und doch immer wieder an sich zweifelt. Aber sie wird es schaffen, dem Bösen auf die Spur zu kommen. Das muss einfach verraten werden.