Freida McFadden: Wenn sie wüsste, Aus dem Amerikanischen von Astrid Gravert, Renate Weitbrecht, Heyne Verlag, München 2023, 400 Seiten, €16,00, 978-3-453-47190-0
„Nina weiß alles. Ich habe mir gerade eine gefährliche Feindin gemacht.“
Millie Calloway hat es bisher nicht gerade einfach gehabt. Sie lebt momentan in ihrem Auto, da ihr letzter Vermieter sie aus der Wohnung geworfen hat und der neue Job wurde ihr auch gekündigt. Die Neunundzwanzigjährige, deren Eltern nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen, sucht dringend einen Job und als die reiche Nina Winchester, die mit Mann und Kind auf Long Island lebt, eine Annonce für eine Stelle als Haushälterin aufgegeben hat, bewirbt sich Millie ohne große Hoffnungen. Doch sie bekommt die Stelle und ist überglücklich. Sie hat ihren Lebenslauf etwas geschönt, denn sie ja wohl kaum schreiben, dass sie zehn Jahre im Gefängnis gesessen hat.
Erzählt wird aus der Sicht der durchaus sympathischen Millie, der man eigentlich gar kein schweres Verbrechen, immerhin ist sie fünf Jahre früher auf Bewährung entlassen worden, zutrauen würde.
Ninas Anwesen ist traumhaft, sie hat einen großen Garten und ein großes Haus mit Heimkino. Einquartiert wird Millie allerdings in einem extrem kleinen Zimmerchen, in dem eine Glühbirne von der Decke hängt. Als Millie entdeckt, warum ihr so unwohl beim Einzug ist, kann sie die Stelle nicht mehr ablehnen. Das Zimmer ist nur von außen verschließbar.
Als Millie dann ihre ersten Tage im Haus verbringt, wird ihr klar, dass Nina mehr als anstrengend ist. In einem ständigen Wechselbad der Gefühle ist sie mal zu Millie freundlich, um sie in der nächsten Sekunde zu beschimpfen. Ihr „tägliches Folterregime“ scheint Nina zu gefallen, denn sie verwandelt das Haus von einem Tag auf den anderen in einen Schweinestall und Millie kann sich nicht erklären, wie Nina dies fertiggebracht hat. Sie erteilt Aufträge, die sie dann plötzlich wieder zurückzieht, sie behauptet etwas und bezichtigt dann Millie der Lüge. Noch schlimmer und arroganter ist die neunjährige Tochter Cecelia. Der einzig Normale in diesem Haushalt scheint Andrew, Ninas Ehemann zu sein. Er liebt seine doch ziemlich füllige Frau, die alle mit ihren Launen und unberechenbaren Ausbrüchen tyrannisiert. Wenn Millie Cecelia von der Schule abholen muss, dann raunen die anderen Mütter ihr verrückte Geschichten von Nina zu. Das Drama nimmt seinen Lauf als Nina behauptet, dass sie nochmals schwanger werden will. Millie erfährt auch, dass Cecelia gar nicht Andrews Tochter ist. Für Millie ist kaum verständlich, wie Nina so einen wunderbaren Mann, der auch noch attraktiv ist, halten kann. Gut sie kleidet sich sehr teuer und geschickt, um ihre Speckröllchen zu verbergen. Sie wirkt gepflegt, auch wenn ihr Haaransatz vielleicht doch nachgefärbt werden könnte. Nach und nach verliebt sich Millie in den perfekten Herrn des Hauses und durch einige Zufälle verbringt sie sogar eine Liebesnacht mit ihm. Dass Nina alles weiß, ahnt sie erst als sie die Tracking-App auf ihrem Handy bemerkt. Nina kann angeblich keine Kinder mehr bekommen. Es gibt Streit und Andrew bringt es wirklich fertig und setzt Nina für seine neue Liebe, Millie, vor die Tür. Millie glaubt, das große Los gezogen zu haben.
Alles, was geschehen ist, betrachten die Lesenden aus Millies Sicht und wollen natürlich immer wissen, warum sie so eine hohe Strafe absitzen musste. Für Millie unglaublich erniedrigend ist, dass auch Nina von ihrer Vergangenheit weiß und sie vor Andrew bloßstellt.
Doch dann verändert sich die Perspektive und die Lesenden erfahren alles aus Ninas Sicht und plötzlich erscheint ihr auch verrücktes Verhalten plausibel und nichts in dem Haus von Nina und Andrew, ist im Rückblick gesehen, wahr. Nina spielt ein gewagtes Spiel, denn auch ihr wurde übel mitgespielt und das nun schon seit sieben Jahren.
Spannend liest sich dieser Krimi von Freida McFadden, zumal gleich zu Beginn deutlich wird, dass es eine Leiche im Haus geben wird. Gewagter Plot, der doch am Ende überzeugen wird, da die Geschichte dramaturgisch gut gebaut ist und die Figuren stimmig sind.