Jordan Harper: Alles schweigt, Aus dem Englischen von Conny Lösch, Ullstein Verlag, Berlin 2023, 384 Seiten, €22,99, 9783550081514
„Sie sitzen in der Bar und stellen dabei etwas Unglaubliches, etwas Beängstigendes fest – sie sind ehrlich miteinander, sie können sich voreinander nicht verstecken. Ihrer beider Leben besteht aus nichts als Lügen, aber gegenseitig können sie sich nichts vormachen.“
Alles passiert im sonnigen Los Angeles, der Stadt, in der die Karrieren gemacht werden und auch wieder zerstört werden können. Es wird viel zu viel getrunken und gekokst, als gäbe es nichts anderes, was Menschen glücklich machen könnte. Alle müssen irgendwie runterkommen, und das scheint nur mit Drogen zu funktionieren. Dabei quellen die sozialen Medien nur so über von Influencern, die gesunde Ernährung und viel Sport propagieren. In diesem Moloch der Lügen und der Verschwiegenheit arbeitet Mae Pruett für ihre Klienten. Die Zweiunddreißigjährige rettet z.B. „Popsternchen“ vor dem Abstieg in die Gosse. Sie denkt sich Ausreden aus oder sie füttert die Presse mit gefakten Informationen, wenn z.B. die Schauspielerin Hannah Heard mit einem blauen Auge auftaucht und eigentlich in Kürze drehen muss. Den einzigen Menschen, den Mae in dieser Stadt wirklich mag, ist Dan Hennigan, ihr Chef bei der Krisenmangagment-Agentur. Zum einen hat er sie nie angebaggert, zum anderen hat sie unheimlich viel von ihm gelernt. Immer wieder hört sie als innere Stimme, seine Ratschläge und Empfehlungen. Doch Dan scheint in etwas Unlauteres verwickelt zu sein.
Jordan Harper, Filmkritiker, Drehbuchautor, Produzent und Musikjournalist, erzählt seine Geschichte von den Schönen, Reichen und Kriminellen aus zwei Blickwinkeln. Zum einen berichtet Mae von ihrem Leben und ihrer Arbeit, zum anderen ist da Chris Tamburro, der enorm große ehemalige Polizist, der nun im Auftrag eines Anwalts den Dreck anderer Leute wegräumt.
Chris und Mae, beide enorm verschwiegen, waren sich mal sehr nah, aber irgendwie hat das Leben sie wieder auseinandergetrieben. Alles dreht sich um das liebe Geld und in L.A. natürlich auch um Ruhm und Anerkennung. Dan jedenfalls hat die eine oder andere Affäre, ist natürlich verheiratet und seine Kinder gehen auf Privatschulen. Er glaubt nun, so richtig Geld scheffeln zu können und will Mae mit ins Boot holen. Doch bevor es zu einer richtigen Aussprache zwischen Mae und Dan kommen kann, wird dieser von einem Latino, John Montez, auf der Straße erschossen. War es wirklich nur ein schief gelaufener Autodiebstahl oder steckt mehr hinter Dans plötzlichem Tod? Mae will herausfinden, warum Dan so sterben musste. Auch Chris hat einen schwerreichen Auftraggeber, der wissen will, was die Polizei unternehmen wird. Chris kann seine alten Kontakte spielen lassen.
Parallel zu diesem Fall, bei dem Chris und Mae natürlich aufeinandertreffen und ihre Informationen und Kräfte gemeinsam bündeln, muss Mae sich um eine unsägliche Sexaffäre kümmern, bei der es ihr wirklich schwer fällt, auf der Seite ihres Klienten zu stehen.
Immer tiefer graben Chris und Mae in Dans Privatleben, um nach einer gewissen Zeit vor mehr als einer Leiche zu stehen. Langsam verstehen sie, dass Dan mit seiner Freundin Katherine Sparks, einer Health-Influencerin in den sozialen Medien und Yogatrainerin, in eine Geschichte mit schwangeren, minderjährigen Mädchen verwickelt sind, die in L.A. allein auf sich gestellt, von einer Casting-Agentur betreut, nicht zum Kinderstar aufsteigen werden. Dahinter stecken außerdem Männer mit sehr viel Geld und abartigen Fantasien.
Zynisch ist Maes Blick auf ihre Arbeit, die nur aus Lügen und Manipulationen besteht. Doch wenn es um Kinder geht, auch wenn sie bereits vierzehn Jahre alt sind, dann regt sich in ihr die Wut.
Gefährlich wird es allemal, helfen kann nur etwas Sarkasmus, Erfahrungen und vielleicht doch Gefühle für den Menschen, der einem nur einmal begegnet.
Dieser Roman ist nichts für sanfte Seelen, die glauben, Hollywood sei wirklich ein Ort, in dem Träume war werden. Nichts davon stimmt!