Michael Kobr: Sonne über Gudhjem, Ein Bornholm – Krimi, Goldmann Verlag, München 2023, 416 Seiten, €24,00, 978-3-442-31689-2
„Nachdem sich so viele Fakten ergeben hatten, war es für ihn höchste Zeit, in Ruhe ein wenig über den Fall zu sinnieren. Und das ging am besten allein im Auto. Besonders heute, zum Sound von Guano Apes.“
Bekannt als Co-Autor bei den „Kluftinger“ – Krimis wagt sich der Autor Michael Kobr nun an sein eigenes Projekt und dazu hat er sich als Standort die dänische Insel Bornholm, auch die „Sonneninsel“ genannt, auserwählt. Seine Hauptfigur ist Lennart Ipsen, geschieden und Vater zweier Töchter im Teenageralter. Der Fünfundvierzigjährige hat eine steile Karriere bei der Polizei hinter sich, u.a. mit wichtigen Posten in Lyon bei Interpol und Brüssel bei der EU. Allerdings haben ihn Arbeitseifer, Ehrgeiz und Pflichtbewusstsein an den Rand einer Krankheit geführt, die ihn tief in Depressionen hat fallen lassen. Doch nun hat er sich aus dem Tief wieder herausgerappelt und in seiner zweiten Lebenshälfte soll alles ganz anders werden. Kein Abstellgleis, aber doch eine eher ruhige Arbeitsstelle, immerhin wird Ipsen Leiter des polizeilichen Ermittlungsdienstes für personengefährdete Kriminalität in der Inselhauptstadt Rønne. Die Mitarbeiterinnenzahl beläuft sich allerdings auf zwei Personen und das bedeutet vielleicht, es ist nicht viel los. Ipsen hat sich für ein Jahr ein kleines Häuschen zwischen Svaneke und Gudhjem gemietet und seine Töchter, die nun mit der Mutter auf Rügen leben, können ihn ganz bequem mit der Fähre besuchen.
Ehe sich Ipsen jedoch in seinem Garten hyggelig in die Hängematte legt, ereilt ihn schon der erste Anruf von Britta Blomdal und natürlich geht es um die erste Leiche. Mit Britta, einer bodenständigen und sympathischen Frau, hat Ipsen, auch wenn er zu Beginn ihre selbstgestrickte Kleidung eher skeptisch betrachtet, eine gute Ermittlerin an seiner Seite. Auch Tao Nguyen ist patent und fleißig und am liebsten im Innendienst.
Michael Kobr umkreist zu Beginn die Protagonisten und dazu zählt auch noch Ipsens Vorgänger, Morton Nygaard, der sich an sein Rentnerdasein so gar nicht gewöhnen kann. Zu gern steht er im Büro und lässt sich von Britta und Tao über den neuesten Stand der Ermittlung informieren, was Ipsen so gar nicht billigen kann. Aber Morten Nygaard ist ein Original und natürlich lädt er seinen Nachfolger auch gleich sehr förmlich zum Essen ein.
Klar ist, in Dänemark geht es freundlich zu. Michael Kobr erspart den Lesenden die üblichen Revierkämpfe zwischen den Ermittlern, es gibt keine rassistischen Anspielungen der Kollegen untereinander und so wie alle beim neuen Fall an einem Strick ziehen, helfen sie sich auch im privaten Bereich, was Ipsen das Ankommen auf der Insel leicht macht.
Der neue Fall allerdings ist mehr als kompliziert. Der Schweinebauer Steffen Kristensen wurde erschlagen und danach in die Räucherkammer verfrachtet. Kein schöner Anblick und Geruch! Sehr klassisch beginnt nun die Polizeiarbeit und alles läuft in diesem Krimi auf die Frage hinaus: Wer war der Mörder? Klar ist, eine Frau konnte den Einundsechzigjährigen schwerlich durch die Gegend tragen. Schnell stellt sich heraus, dass das Opfer nicht sonderlich beliebt war. Immer drehten sich, ob privat oder beruflich, alle Konflikte ums liebe Geld. Wie bei jedem Fall beginnen nun die Befragungen und Auswertungen aller elektronischen Geräte. Und hier zeigt sich Tao als sehr geschickt. Wenn Ipsen auch das Umfeld des Opfers intensiv umkreist hat, es ergibt sich einfach kein Motiv. Als dann jedoch klar, wird, dass Kristensen, was alle erstaunt, ein Buch schreiben und vor allem ein Geheimnis lüften wollte, ergeben sich neue Verdachtsmomente und die haben eindeutig mit der Vergangenheit des Toten zu tun.
Auch wenn gemordet wird, dieser Dänemark – Krimi hat etwas sehr Sympathisches, denn die Figuren überzeugen durch ihre Integrität und Umsicht. Gemeint sind damit allerdings nur die Ermittler und eine bestimmte Inhaberin eines Restaurants, die Ipsen wohl mehr als nett findet. Alle anderen suchen nur nach ihren finanziellen Vorteilen. Und natürlich sind die Nachbarn des Opfers wie immer meckernde, cholerische Deutsche. Witzig sind die Anspielungen auf Kollegen von Ipsen, z.B. Wallander oder Dupin, die Krimifans ohne Zweifel kennen.
Keine Frage, der nächste Band kommt bestimmt und darauf darf man gespannt sein.