Gytha Lodge: Sobald ihr mich erkennt, Aus dem Englischen von Kristian Lutze, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2023, 448 Seiten, €18,00, 978-3-455-01621-5
„Das war für Hanson immer noch einer der seltsamsten Aspekte des Falles: eine Frau von sechsundvierzig Jahren, die sich der Welt des Smartphones komplett verweigert hatte.“
Nach dem zweiten, grausigen Leichenfund sind sich DCI Jonah Sheens und seine Mitstreiter einig, es handelt sich in Southampton um einen Serientäter. Er sucht sich alleinstehende, einsam lebende Frauen Ende vierzig, um sie zu betäuben und dann auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen. Seltsamerweise finden die Polizisten weitere Scheiterhaufen, allerdings ohne Leichen, nur ein Scheiterhaufen wurde für eine Stute errichtet. Alle Ermittlungsansätze laufen ins Leere und so greift Sheens entgegen seinen Prinzipien auf ein Ahnenforschungsportal zu, denn an einem Fundort wurde Blut entdeckt.
Als die Irin Aisling Cooley, ebenfalls alleinerziehend und in den Vierzigern, ihre Angaben auch von ihren Söhnen Fin und Ethan beim Ahnenforschungsportal eingibt, um ihren verschollenen Vater zu suchen, kann sie nicht ahnen, welche Folgen das für ihre Familie haben wird. Zeitgleich stellt sich heraus, die erfolgreiche, aber nicht reiche Spieleentwicklerin hat ein Geheimnis, dass irgendwie mit ihrer ersten Liebe, Jack O’Keane, der seit kurzem in ihrer Firma arbeitet, zu tun hat.
Die Polizei entdeckt ein Match und beginnt Kontakt zu Aisling Cooley aufzunehmen. Klar ist, der Mörder ist ein naher Verwandter von ihr: der Vater, ihr Bruder oder ihre Söhne. Aisling hat vieles hinter sich und sie stellt sich wie eine Löwin vor ihre Kinder. Dass die Jungen, beide sich neunzehn und siebzehn Jahre alt, über den fraglichen Zeitpunkt am Silvesterabend nicht ganz die Wahrheit sagen, irritiert sie, hält sie aber nicht davon ab, ihre Jungen zu verteidigen.
Gytha Lodge lässt die Lesenden genau ins Leben ihrer handelnden Figuren, auch in das der Ermittler schauen. Kenner der Krimireihe um Sheens und die Ermittler Hanson, O’Malley und Lightman sind gut über die privaten Konflikte informiert. Jonah Sheens und seine Frau Michelle mit Tochter Milly sind nicht sonderlich glücklich, doch sie können nicht miteinander reden. DC Juliette Hanson leidet immer noch unter ihrem Stalker, der erneut in Aktion tritt.
Als die Ermittler die Leiche von Dara Cooley, Aislings Vater, finden, können sie bereits eine Person ausschließen. Dass die Söhne Täter sein könnten, bleibt eine Weile eine Option. Doch niemand findet ein Motiv. Als dann Finn und Ethan endlich nicht mehr verdächtigt werden, muss Aisling sich ihrer Vergangenheit in Irland stellen. Sie war mit fünfzehn schwanger, ein Alptraum für die fanatisch religiöse Mutter. Nur Aislings Vater hatte ein Ohr für die Tochter, doch er hat die Familie verlassen. Als ihr Sohn geboren wurde, hatte man Aisling versichert, er sei tot. Was nicht der Wahrheit entsprach. Während Aisling der Polizei von diesem schweren Trauma erzählt, hört Jack O’Keane, der gerade zu Besuch ist, zum ersten Mal von seiner Vaterschaft.
Die Polizei konzentriert sich nun auf den wahrscheinlich zur Adoption freigegebenen Sohn als Mörder der Frauen. Möglich auch, dass Dara das Kind einer Bekannten gegeben hatte, die sich jedoch kaum um den Jungen gekümmert hat. Doch wer hat ihn als Drei- oder Vierjährigen abgeholt? Was hat dieses Kind erlebt?
Eine wirklich verzwickte Geschichte, die sich über viele Seiten erstreckt und oftmals sehr diffizil die akribische Arbeit der Polizei beschreibt. Der Handlungsverlauf ist wirklich originell, denn er nimmt immer wieder neue Wendungen und verleiht so der Geschichte eine ungeheure Dynamik.
Spannend und zum Ende hin auf eine gute Art tröstlich!