Luca Ventura: Bleich wie der Mond, Diogenes Verlag, Zürich 2023, 304 Seiten, €16,00, 978-3-257-30095-6
“ ‚ Ich weiß nicht‘ , begann sie, ‚ob ihre Kollegen Sie über die näheren Todesumstände aufgeklärt haben. Ihr Onkel lag in einem Bottich voller Wasser. Wir wissen inzwischen, dass für die Herstellung von Mozzarella kein Wasser benötigt wird, jedenfalls nicht in diesen Mengen, weshalb wir einen Arbeitsunfall ausschließen.“
Jedes vierte in Deutschland verkaufte belletristische Buch zählt zur sogenannten Spannungsliteratur: Krimis, Thriller, Horrorgeschichten. Natürlich unterscheiden sich die Genre, mal dreht sich alles um die Frage, wer war der Mörder oder die Mörderin oder die Lesenden werden in Kenntnis gesetzt und die Ermittler müssen ihr bestes geben. Mal wütet ein Serientäter und dann dreht sich wieder alles um organisierte Kriminalität oder einfach nur eine Verkettung von Unglücken. Und dann kann es sein, dass die Lesenden mit durchaus interessanten Informationen rund um den zu lösenden Fall versorgt werden. In Luca Venturas Capri-Krimi dreht sich alles um
die Herstellung von Mozzarella, der so berichtet das Internet, „ ein ursprünglich italienischer Filata-Käse aus der Milch des Wasserbüffels oder des Hausrinds oder einem Gemisch beider Milcharten ist.“
Kürzlich hat sich in Anacapri der exquisite Käsemacher, Nino Castaldo, der für seinen handgezogenen Mozzarella aus reiner Büffelmilch berühmt ist, niedergelassen. Doch nun findet ihn der Polizist Enrico Rizzi mitten in der Nacht tot in einem Bottich und muss sich auch noch von hinten niederschlagen lassen. Dabei hatte es der gehörlose Mitarbeiter von Nino nur aus Notwehr getan, weil er den Polizisten in seiner normalen Kleidung, die er auch als Landwirt trägt, nicht erkannt hatte. Zuständig für diesen Fall ist natürlich die Kriminalpolizei in Neapel, aber Enrico Rizzi und seine furchtlose Kollegin Antonia Cirillo lassen es sich nicht nehmen, doch vor Ort und entgegen allen anderen Anordnungen ihres Vorgesetzten Ispecttore Lombardi auch in Neapel zu recherchieren. Sie warten nicht lang auf die Obduktionsergebnisse, sondern befragen schon mal die Angehörigen. Gemutmaßt wird, dass Nino mit seinen fünfundsechzig Jahren vielleicht an einem Herzinfakt verstorben ist. Seine Ehefrau Stella Apicella, die gut vierzig Jahre jünger ist als er, weiß allerdings nichts von körperlichen Beschwerden. Sie ist die Tochter des in Capri berühmten, ziemlich arroganten Malers Massimo Apicella, dessen Kunst allerdings Enrico Rizzi so gar nicht zusagt. Nach und nach wird deutlich, warum Nino Castaldo, der doch ein gut gehendes Geschäft in Neapel hatte, sich verkleinern und mit seiner Frau in Anacapri leben wollte. Nach einem gewaltsamen Überfall von Tierschützern auf seinen Laden, die ihm vorwarfen, dass er keine Rücksicht auf die Haltung der Wasserbüffel nimmt, begann sein Umdenken. Hinzu kam, dass sein Nachfolger Bruno völlig neue Ideen verwirklichen wollte. Die Polizisten befragen auch Claudio Tripodi, der Nino mit der weißen, cremigen Büffelmilch beliefert. Als sich dann herausstellt, dass Stella schwanger ist und Nino, der zeugungsunfähig war, nicht der Vater des Kindes sein kann, könnte sich ein neues Motiv für den eindeutigen Mord ergeben. Wer ist der Vater des Kindes?
Stellas eifersüchtiger Ex-Freund oder Claudio Tripodi, der schon Fliesen mit den Namen Claudio & Stella hat herstellen lassen? Oder gibt es völlig andere Gründe, warum Nino sterben musste?
Luca Ventura greift wie immer nicht nur gesellschaftspolitische Themen auf, er umkreist auch den zwischenmenschlichen Bereich und vor allem die Mentalität der Inselbewohner. Denn wer nicht von Capri kommt, hat es schwer auf der Insel wirklich heimisch zu werden. Doch dies ist kein Grund, jemanden zu töten. Was steckt nun wirklich hinter dem mysteriösen Tod des Käsemachers, ein zu hoch dosiertes Medikament oder doch die berühmte Eifersucht oder gar seine Ignoranz gegenüber seinem Schwiegervater, dem berühmten Maler.
Keine Frage, Luca Venturas Krimis überraschen mit ihrer temporeichen Handlung und informieren ganz nebenbei über eine italienische Delikatesse.