Nicci French – Tödliche Schuld, Aus dem Englischen von Birgit Moosmüller, C.Bertelsmann Verlag, München 2022, 432 Seiten, €16,00, 978-3-570-10489-7
„Drei oder vier Monate zuvor hatte Liam sie ohne ihr Wissen als Testamentsvollstreckerin benannt, sie dann vor ein paar Tagen wieder in sein Leben hineingezogen, in seine letzten Tage, wie sich herausstellte, und nun saß sie hier, verstrickt in eine Mordermittlung.“
Als die Welt noch unbeschwert und einfach erschien, hatten sich der anarchische wie launische Liam Birch und die eigentlich sehr strebsame und ehrgeizige Jude Winter verliebt. Mit achtzehn Jahren wurde gefeiert und viel Blödsinn gemacht. Doch dann geschah dieser Unfall und die Beziehung der beiden endete abrupt. Nun gute zehn Jahre später passt Liam Jude am Ausgang des Londoner Krankenhauses, in dem sie als Ärztin arbeitet, ab. Jude hatte sehr unter der Trennung gelitten und eigentlich ist Liam nie so ganz aus ihren Gedanken verschwunden. Doch nun will Jude den liebenswerten Nat heiraten und eigentlich scheint alles ganz wunderbar geordnet. Hochzeit, Hauskauf und Kinder – so die Planung.
Liam bittet Jude um einen Gefallen und sie kann irgendwie nicht ablehnen. Lange Zeit versteht man als Lesender nicht, warum Jude sich auf diesen Deal einlässt. Sie soll mit Liams klapprigem Auto zu einem Cottage in Norfolk fahren und dort auf ihn warten. Dann, vor Ort, wollte er ihr sagen, was sie für ihn noch tun kann. Allerdings darf sie niemanden informieren und sie hat auch keine Kontaktdaten von Liam. Als Liam dann nicht auftaucht, sondern die Polizistin Leila Fox auf seinem Handy, dass in seinen Sachen im Auto lag, anruft, ahnt Jude, dass sie einen Fehler gemacht hat.
Liam wurde bei einem Raubüberfall erstochen. Nach und nach jedoch wird deutlich, dass auch Liam irgendetwas vorhatte. Warum sollte Jude seine persönlichen Sachen nach Norfolk mitnehmen und ihm so ein Alibi verschaffen? Als der Mordfall und auch Judes „Beteiligung“ an die Presse durchgestochen wurden, muss sie ihrem Verlobten Nat die Wahrheit sagen. Doch Nat fühlt sich hintergangen und unterstellt ihr eine Affäre mit Liam. Die Polizei verdächtigt Jude, sie löst die Beziehung zu Nat, sucht eine neue Wohnung und wird sogar neben Liams Bruder Dermot als Testamentsvollstreckerin von Liam eingesetzt. Sie lernt Liams Lebenspartnerin Danny Kelner kennen und seinen kleinen Sohn Alfie.
Immer tiefer rutscht Jude, die alle mit Misstrauen behandeln, in Liams Leben. Dabei ist er eigentlich für sie mittlerweile ein fremde Person. In dem alten Haus von Liam, dass im Umbau ist, leben noch weitere dubiose Personen. Liam hatte einen kleine Firma mit Vin, einem unsympathischen Typen. Da beide oft schwarz gearbeitet und keine ordentliche Buchhaltung geführt haben, steht Jude vor einem finanziell totalen Chaos. Jude versucht sogar für Liam im Nachhinein noch Schulden einzutreiben, was ihr in vielerlei Hinsicht auch die Augen öffnet.
Je weiter Jude den Liam kennenlernt, der er wirklich ist, um so mehr häufen sich bei ihr die Zweifel über ihr eigenes Verhalten.
Natürlich gibt es einen Grund, warum Jude sich Liams Wünschen nicht entziehen kann und natürlich findet sich das Mordmotiv in Liams unmittelbarer Umgebung.
Nicci French, das schreibende Ehepaar, sind routinierte Krimiautoren. In diesem Roman allerdings gibt es viel zu viele redundante Passagen, da die Lesenden alles nur aus Judes Perspektive erfahren. Immer wieder muss Jude erklären, was sie für Liam, dem sie ja eigentlich nicht nahe steht, machen sollte. Es dauert auch viel zu lang, ehe die Handlung wirklich in Schwung kommt und die Figuren um Jude ihre ganz eigenen Rollen spielen.
Gut einhundert Seiten weniger hätten dem Roman wirklich gutgetan.