Karsten Dusse: Achtsam morden im Hier und Jetzt, Heyne Verlag, München 2022, 480 Seiten, €22,00, 978-3-453-27386-3
„’Was machen wir jetzt?‘, wollte Emily von mir wissen.
Einen Wagen und eine Leiche verschwinden lassen, war nicht die Antwort, die ich ihr geben konnte. Aber irgendwie muss ich meine zu erledigenden Aufgaben und die Kinderbetreuung unter einen Hut bringen.“
Wer wie Björn Diemel als unbescholtener Jurist sich mit dem Recht auskennt, kann schon mal die einer oder andere Leiche im Keller haben. Und das ist nicht bildlich gemeint. Doch nun ist alles wieder in normalen Bahnen und einem achtsamen Leben steht nichts mehr im Wege. Wären da nicht die Alltagssorgen eines Vaters. Diemel macht sich allerdings eher übertriebene Sorgen um die Einschulung seiner Tochter Emily. Um über dieses Thema sich auszutauschen, geht er zu seinem Entspannungstherapeuten Joschka Breitner. Leider ist dieser gedanklich irgendwo anders und eher mit dem Tod einer alten Freundin beschäftigt, die eigentlich schon das Zeitliche gesegnet haben sollte. Als Diemel im Sitzungszimmer des Therapeuten eine Zeitschrift mit einem Artikel über ein Tantra – Seminar entdeckt, glaubt er, dass das ein Zeichen für ihn sein soll und natürlich auch ein Weg zur Selbstoptimierung. Wer hofft nicht auf Erleuchtung? Und etwas dazulernen in puncto Sex, Achtsamkeit und Freiheit kann ja nie schaden. Außerdem hat sicher schon jeder vom legendären Bhagwan gehört.
Mit einem anzüglichen, wie sarkastischen Lächeln schreibt der Autor dieses Buches nun vom Tantra – Wochenendseminar, dass Diemel nach entsprechender Zahlung mit seiner Ex-Ehefrau Katharina besucht. Genüsslich lässt sich Karsten Dusse über die Seminarteilnehmer aus und vor allem den sexuell so befreiten Therapeuten Günther, den Diemel und auch Katharina gleich in die Kategorie eitler Gockel, Tesla-Fahrer und narzisstischen Blender einordnen. Als Diemel dann Günther und seinen Therapeuten Joschka auf einem sehr alten Foto entdeckt, löst er unbewusst etwas aus, was ihn in arge Schwierigkeiten bringen wird. Das Seminar jedenfalls brechen Diemel und seine Ex-Frau ab, denn Katharina hatte als Bedingung für ihre Teilnahme ganz klar formuliert, dass sie beim Anblick des ersten Penis die Taschen packt. Als der Anfang 60-jährige Günther dann so frei ist, ist für Katharina Schluss mit der Entspannung.
Diemel jedenfalls freut sich auf seine nächste Seminarstunde bei Joschka, die allerdings ausfällt, denn jemand hat den armen Therapeuten überfallen, geschlagen und seine Wohnung durchwühlt.
Als der sich sorgende Diemel dann einen Privatdetektiv für die Wohnung von Joschka, der mittlerweile im Krankenhaus gelandet ist, organisiert, bleibt dieser nicht lang am Leben. Dieser Privatdetektiv ist ausgerechnet ein Tantra-Seminarteilnehmer, der unter falschem Namen, seine Frau sollte nichts wissen, am Seminar teilgenommen hatte. Diemel konnte ihn so preisgünstig für die Observation der Wohnung engagieren. Dass er nun getötet wurde, war nicht eingeplant. Nach dem Überfall hatte Diemel von Joschka erfahren, dass irgendein Buch für den Einbrecher wichtig sein könnte.
Dieses Tagebuch, geführt vor vierzig Jahren, findet Diemel und nun verbindet sich die Tagebuchlektüre über Joschkas Zeit in Indien, den USA und mit Bhagwan mit den Geschehnissen im Hier und Jetzt.
Es geht um Tote, die gar nicht tot sind, Scheinheiligkeit, natürlich Gewinnsucht, falsche Gurus und eine befreite Bewegung, die es mit den Finanzen auch nicht so genau genommen hat. Außerdem wird wiedermal vorgeführt, wie man den Errungenschaften der Technik, insbesondere eines E-Autos, Leichen beseitigen kann. Natürlich begleiten aufbauende Sprüche von Joschka aus seiner Zeit mit Bhagwan jedes Kapitel:
„Das sichtbarste Zeichen für ein unausgereiftes Ego ist das Bedürfnis nach Macht.“
Unterhaltsam und leicht liest sich dieser Krimi, der irgendwie zeigt, dass unser Leben im Hier und Jetzt doch ziemlich kompliziert geworden ist, wenn ein Vater zum Therapeuten muss, weil sein Kind in die Schule kommt. Er hat keine Ahnung, was die Schule noch für Probleme bereiten wird. Das ist die Einschulung ( mit Gottesdienst? ) eher ein Spaziergang.