Julia Karnick: Am liebsten sitzen alle in der Küche, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2022,
352 Seiten, €16,95, 978-3-423-26333-7
„Almut und Tille waren so anders, dass sie zuerst gedacht hatte: zu anders, um ihre Freundinnen zu werden. Aber es gab eine Gemeinsamkeit, die größer war als alle Unterschiede zusammen. Sie teilten die Erfahrung, dass das Leben sich nicht an Entwürfe hielt.“
Das ist die Meinung von Yeliz, der Jüngsten im Bunde der drei Freundinnen, die sich in Hamburg jeden Donnerstagabend bei Almut in der Küche treffen und von ihr bekochen lassen.
Gefunden hatten Yeliz, Almut und Tille sich per Zufall. Almut hat Yeliz beim Salza tanzen kennengelernt und Tille ist Almuts neue Nachbarin. Altersmäßig sind alle etwas auseinander, Almut ist Anfang fünfzig, Tille Mitte vierzig und Yeliz ist in den Dreißigern. Nach langer Ehe und vier Kindern hat Almut ihrem untreuen Ehemann den Rücken gekehrt. Finanziell gut abgefunden kümmert sie sich noch um das Nesthäkchen der Familie. Ohne Beruf und eigentlich nur glücklich beim Kochen und Umsorgen ihrer Familie hat sie in gewisser Weise sich selbst aus den Augen verloren. Die spröde Tille arbeitet als Urologin und erzieht ihren Teenagersohn allein. Yeliz stammt aus einer traditionell denkenden türkischen Familie und hat sich aber von allen Erwartungen der Eltern befreit. Sie ist die hippe Werbefrau, die die neuesten Spots kreiert, ob es sich nun um Autos oder Babynahrung handelt. Liiert ist Yeliz mit dem smarten Morten, der als freiberuflicher Tischler doch so seine Probleme hat.
Julia Karnick greift leichthändig mitten ins Leben hinein und betrachtet Kapitel für Kapitel die unterschiedlichen Leben, Hoffnungen, Enttäuschungen und Glückserwartungen ihrer drei Hauptfiguren. Es geht um Konflikte mit Kunden, Alltagsrassismus, Kinderlosigkeit, Computersucht, gutes Essen und die Suche nach dem richtigen Partner, zumindest für Almut. Die dem wahren Leben abgelauschten Geschichten rund um die Frauen, sind mal witzig, dann auch wieder sehr realistisch bis hin zu traurigen Momenten. Julia Karnick weiß, wovon sie schreibt, denn in ihren Kolumnen ( „Brigitte“ oder „FÜR SIE“ ) ist sie auch immer am Puls der Zeit und kundig in den sozialen Medien.
Als die drei Freundinnen sich am Ende so richtig die Meinung geigen, ist klar, dass es ein versöhnliches Ende geben wird.
„Während Tille die Wohnungstür aufschloss, dachte sie, dass es für sie alle besser gewesen wäre, wenn sie einfach immer weiter über Botox geredet hätten.“
Bei aller witzigen Unterhaltung, Julia Karnick kann die Lesenden auf jeden Fall fesseln, wenn sie auch sarkastisch sich den Alltagsthemen nähert, hätte eine Spur mehr Wirklichkeitssinn, nichts gegen Rachefeldzüge, dem Ganzen gut getan. Da sollte sie und auch der Verlag die LeserInnen nicht unterschätzen.