Jean Hanff Korelitz: Der Plot, Eine todsichere Geschichte, Aus dem Amerikanischen von Sabine Lohmann, Heyne Verlag, München 2022, 351 Seiten, €16,00, 978-3-453-27397-9

„Und warum war es ihm damals in Ripley nicht eingefallen, dass Parkers erster Romanversuch vermutlich die Leute beschreiben würde, die er am besten kannte, in dem Haus, das sie gemeinsam bewohnt hatten? Es war das abgedroschenste Klischee, dass ein Erstlingswerk meist autobiografisch war: meine Kindheit, meine Familie, meine grässliche Schulzeit.“

Die amerikanische Autorin Jean Hanff Korelitz erzählt vom Schicksal eines Schreibenden, von gnadenlosen Verlagen, wie dem Buchmarkt, der Verkaufserfolge sehen will. Wie viele Menschen schreiben Bücher, ohne je in der Öffentlichkeit ihren Platz zu finden? Wie viele Autoren sind über ihren autobiografischen Roman nie hinausgekommen? Was macht den wirklich begnadeten Autor aus? Sind es wirklich die innovativen Ideen, die Fantasie, die Lebenserfahrungen, die sogenannte einmalige Schreibe? Wie nah sind sich Leben und Fiktion wirklich? Reicht nur eine wirklich originelle Story und der Roman ist fertig? Sicher nicht.
Auch der einst so erfolgreiche Jungautor Jacob Finch Bonner, genannt Jake, er erzählt aus der Ich-Perspektive, hat mit seinem Roman „Staunen“ ebenfalls ein autobiografisch sehr beachtetes Werk mit fünfundzwanzig Jahren in der Öffentlichkeit präsentiert. Gut, er wurde von seinem Verlag nicht auf Lesereisen geschickt und die Auflagenzahl war auch nicht so hoch wie bei Bestsellerautoren, aber es war zumindest ein guter Anfang. Dass dann seine beiden folgenden Romane niemand mehr verlegen wollte, war ein Tiefschlag für den doch auch eitlen jungen Mann. Desillusioniert arbeitet Jake, der nur noch zynisch auf den Buchmarkt sehen kann, nun als Dozent für Creative Writing an unbedeutenden Einrichtungen. Er versucht die Manuskripte angehender Autoren, die sich dafür halten und auch zahlen, aufzubessern. Jake kann bald nicht mehr sein Apartment in New York halten und über seine eigene Website, in der er seine Dienste anbietet, kommt auch nicht viel Geld in die Kasse. Doch dann liest er eine Todesanzeige und plötzlich scheint es so, als gäbe es wieder eine literarische Zukunft für ihn.
In Jakes Seminar hatte einer der Teilnehmer, der arrogante Evan Parker, davon gesprochen, dass er einen „unkaputtbaren Plot“ in einen Roman verwandeln würde. Alle Welt würde sein Buch lieben, es würde auf jeden Fall erfolgreich verfilmt werden und sicher sei ja auch, dass jeder Schriftsteller sein könnte. Jake durfte einige Seiten lesen und der Narzisst Evan hat ihm offenbar den Plot erzählt. Interessant war, dass Jake den Eindruck hatte, dass Evan durchaus schreiben konnte und dass die Idee des Romans, eine Mutter-Tochter-Geschichte voller tragischer Konflikte, wirklich phänomenal war. Als Jake jedoch nach gut zwei Jahren immer noch keinen Roman von Evan Parker oder Parker Evan, wie er sich eigentlich nennen wollte, in den Buchhandlungen gefunden hatte, las er seine Todesanzeige. Eine Überdosis Drogen hatte den so vielversprechenden jungen Autor getötet.
Jake ergreift die Gelegenheit und schreibt den Roman. Kein Wort vom damaligen Manuskript wurde verwendet, die Figuren und vor allem die spannende Handlung stammte von Jake. „Krippe“ heißt das Werk und Jake wird über Nacht zum absoluten Lieblingsautor vor allem der LeserInnen in den USA und weltweit. Alles kommt so, wie es Evan vorausgesagt hat. Die Geschichte von Mutter und Tochter, die in Auszügen den Roman von Jean Hanff Korelitz durchzieht, wird der absolute Verkaufsschlager. Jake findet eine der besten Agentinnen, er ist berühmt, er geht auf Lesereisen, alle warten auf den nächsten Roman, während schon die Taschenbuchausgabe von „Krippe“ erscheint und die Verfilmung geplant wird. Doch dann meldet sich per E-Mail ein „TalentedTom“ ( alle denken sofort an den Lügner und Mörder Ripley ) und behauptet, dass Jake ein Dieb sei. Die Nachrichten des Unbekannten häufen sich im Laufe der Zeit, werden immer persönlicher und bedrohlicher. Jake fühlt sich absolut schuldig, obwohl er kein Wort von Evan kopiert hat und „nur“ die Story sozusagen übernommen und einen Roman daraus geformt hat. Das ist doch eine Leistung, oder nicht? Jakes Roman nach „Krippe“ wird nun auch vom Verlag veröffentlicht, wobei weder seine Agentin noch der Verlag vom Inhalt sehr begeistert sind. Aber das ist nun mal das Schicksal vieler Autoren, wenn der Vorgängerroman so sensationell verkauft wurde.
Jake fühlt sich immer mehr bedrängt, besonders als auch der Verlag über die Bedrohungen informiert wird. Man tröstet sich damit, dass es immer Neider gibt, die Autoren, z.B. Stephen King u.a. als Plagiatoren diffamierten. Bei Jake allerdings wissen auch die Lesenden, dass ein Quäntchen Wahrheit in den sogenannten Fake-Mails steckt. Jake hat die peinlichen Androhungen sogar seiner neuen Liebe, Anna Williams aus Seattle, die neuerdings auch in New York lebt und arbeitet, verschwiegen. Sie ahnt, dass mit Jake etwas nicht stimmt. Als er endlich mit der Wahrheit herausrückt, spürt er ihre stille Enttäuschung.
Jake weiß, dass er mit den Informationen des „TalentedTom“ sein Ansehen verloren hat. Dabei waren die Schmeicheleien der eigenen Autorenkollegen für ihn das Sahnehäubchen auf all dem Erfolg. Auf die Tatsache überall erkannt zu werden, und welchen Autor oder welche Autorin erkennen die Leute auf der Straße schon wieder, kann Jake nicht mehr verzichten. Für ihn gibt es nur noch eine Wahl, er muss herausfinden, wer hinter den Droh-E-Mails und Posts steckt und er muss die Person stoppen.

Absolut spannender Thriller ohne brutale Szenen mit einem Plot, der im doppelten Sinne unerwartet und wirklich sensationell ist!