Cay Rademacher: Geheimnisvolle Garrigue – ein Provence-Krimi mit Capitaine Roger Blanc, Dumont Verlag, Köln 2022, 433 Seiten, €17,00, 978-3-8321-8186-4

„’Mord als Plagiat?‘
‚Wir leben im Zeitalter von Copy and Paste, mon Capitaine, das gilt selbst für Serientäter.‘ „

Es ist März und eine Pandemie scheint sich anzukündigen. Noch sagt der Innenminister man brauche keinen Mund-Nasen-Schutz, weil er nicht helfen würde, aber es dauert nicht lang und die ganze Republik ist lahmgelegt und leidet unter einer Ausgangssperre. Dieses Frühjahr beginnt bereits mit hohen Temperaturen und auch im März ist es sehr warm. Jetzt könnte Capitaine Roger Blanc gemütlich vor seiner alten Ölmühle in der Sonne sitzen, einen Espresso trinken und mit Paulette reden. Doch Paulette ist als Krankenschwester rund um die Uhr im Einsatz und Blanc muss sich um einen Vermisstenfall kümmern, der ungewohnte Ausmaße annehmen wird.
Der Brigadier Yves-Laurent Sylvain sucht seine Freundin Laetitia Fabre, eine junge Frau, die mit dem Fahrrad am Morgen ihre gewohnte Tour begonnen hat und davon nicht zurückgekehrt ist. Als man einen linken Schuh von ihr im zugeschütteten Tunnel von Le Rove findet, erinnert das an einen Fall von vor dreiundzwanzig Jahren. Vier junge Frauen gleichen Typs verschwanden unauffindbar. Zurück blieben nur ihre linken Schuhe, wie ein makabres Markenzeichen. Beerdigt wurden leere Särge.
Blanc kennt seine Polizisten sehr gut und ihm fällt auf, dass irgendetwas mit Sylvain nicht stimmt. Irgendetwas verschweigt er. Die üblichen Befragungen beginnen und klar wird, dieses Fahrrad konnte gar nicht zu dem gefundenen Zeitpunkt am Tunnel stehen. Alles scheint inszeniert zu sein.
Und dann verschwindet auch noch die beste Freundin von Laetitia, Chloé Aliphat. Wieder taucht ein linker Schuh auf und Blanc ist in höchster Alarmbereitschaft. Mordet der ehemalige Serientäter nach so langer Zeit wieder? Was hat ihn so lange Zeit ruhen lassen und was hat die neuen Morde ausgelöst? Ist er wirklich ein ganz normaler Bürger, der friedlich unter seinen Mitbürgern lebt und eigentlich ein Monster ist? Seltsam ist auch, dass an genau der Stelle, wo der Schuh von Latitia lag, wieder ein Zeuge von damals auftaucht. Romain Trossero sucht angeblich abgestürzte Flugzeugteile und konnte das damalige Verschwinden seiner Freundin Stéphanie Conderc nicht verkraften.
Verdächtig ist auch der ungehobelte und zum Rassismus neigende Pierre, der Bruder von Latitia. Er ist in Chloé verliebt, die allerdings nichts von ihm wissen will. Alibis kippen, doch stellt sich heraus, dass Pierre eher beim Drogenhandel mitmischt und deshalb für seinen Kumpel und dieser für ihn gelogen hat. Immer wieder werden einst verdächtige Personen von damals verhört, aber auch diejenigen, die die beiden jungen Frauen gut kannten.
Als dann ein ehemaliger Lehrer des ersten damaligen Opfers, der nach den Morden gesellschaftlich aus Schuldgefühlen total abgestürzt ist, in der Garrigue angeblich Chloé gesehen hat, nimmt die Geschichte an Fahrt auf.
Das Geheimnis scheint in dem unübersichtlichen Hochland der Garrigue verborgen zu sein.

Wie immer liest sich auch dieser literarisch hochwertige Krimi, trotz aktueller, das Leben eher drosselnder Bezüge zu Covid-19, atemberaubend spannend. Die Figuren sind stimmig, der Fall psychologisch überzeugend, die Ausflüge in die Provence ( Tunnel du Rove ) authentisch, biografische Hintergründe interessant ( Geschichte von Henri Fabre ) und es wird zum Glück nicht dauernd gegessen.

Genau die richtige Lektüre für ein langes verregnetes Wochenende, an dem man ganz freiwillig zu Hause bleibt.