Amanda Cross: Thebanischer Tod – Kate Fansler ermittelt, Aus dem Amerikanischen von Monika Blaich und Klaus Kamberger, Dörlemann Verlag, Zürich 2022, 288 Seiten, €19,00, 978-3-0382-0109-0

„Flüchtig dachte Kate an die griechischen Götter und fröstelte.“

Die Literaturkennerin und Autorin Kate Fansler aus New York, neuerdings mit Reed Amhearst verheiratet, erhält einen Notruf aus ihrem alten Mädchencollege, dem Theban. Als Kate vor zwanzig Jahren vom College abgegangen ist, war einiges sicher ganz anders als Anfang der 1970er Jahre. Händeringend sucht die Schulleiterin Miss Tyrinham eine Dozentin für die sechs Mädchen der 12.Klasse. Auf dem Lehrplan steht „Antigone“. Kate bereut doch eigentlich ziemlich schnell, dass sie sich auf Bitten ihrer Freundin, Julia Strikeland, hat dazu breitschlagen lassen. Die Mädchen erscheinen ihr in ihrer legeren Kleidung, längst trägt niemand mehr Schuluniform, mit ihren Protestdemonstrationen recht aufmüpfig und aggressiv. Auch Drogen beginnen eine Rolle zu spielen und die Schule schwänzen ist auch nicht mehr ein großes Drama.
Gleich beim Rundgang liest Kate ein Gedicht der Mädchen, dass eindeutig an sie gerichtet ist.
Doch als das Seminar beginnt, sind die Verse plötzlich verschwunden. Kate weiß sich zu behaupten und gerät sehr schnell mit den Schülerinnen in konstruktive Diskussionen über Fragen der Macht, der Ehre und der Rolle der Frau in der Antike und heute. Doch dann geschehen einige Vorkommnisse, in die Kate, trotz ihrer nicht gerade guten Bezahlung, hineingezogen wird.
So muss sie sich mit dem Großvater von Angelica Jablons auseinandersetzen. Seine Enkelin Angelica hat ihren Bruder Patrick im Theban versteckt, ohne zu ahnen, dass die Schule ein ausgeklügeltes, ziemlich kostengünstiges Sicherheitskonzept hat. Der Sicherheitsdienst im Theban besteht aus zwei Dobermännern, die Lily und Rose heißen und niemandem etwas antun, außer er hält sich des Nachts im Haus auf. Allerdings greifen sie auch nicht an, sondern warten bis der Sicherheitsmann Mr. O“Hara, der aussieht wie eine Figur aus einem Dickens Roman, auftaucht.
Wunderbar sind immer die Bezüge zur Literatur, die Amanda Cross alias Carolyn Gold Heilbrun einfließen lässt und natürlich ihre Ansichten über das „Antigone“ – Stück von Sophokles.
Patrick Jablons, der sich vor den Einberufungsbehörden für den Vietnamkrieg verstecken wollte, wird nun von den Hunden aufgestöbert. Sein Großvater lamentiert über den Verfall der Werte und der Missachtung der Autorität des Staates.
Als dann jedoch auch noch die Mutter von Angelica und Patrick Jablons tot im Zeichenraum des Colleges gefunden wird, sind wiedermal Kates Ermittlerfähigkeiten gefragt.

Das „Antigone“ – Stück im Hinterkopf versucht nun Kate, das Rätsel von Gehorsam und Ungehorsam zu lösen. Klar wird, dass das von seinen Kindern nicht gerade geliebte Opfer mit Herzproblemen eines natürlichen Todes gestorben ist. Doch warum hat man es im Theban abgelegt? Wollte man der Polizei weismachen, dass die Hunde wiedermal schuldig sind?

Amanda Cross greift vieles auf, was uns heute auch beschäftigt. Es geht um repressive Polizeigewalt gegen Protestierende, junge Frauen, die diskutieren und sich so auch gesellschaftlich engagieren, um nicht nur im Ehehafen zu landen. Denn auch Antigone musste Entscheidungen treffen und somit beeinflusst Sophokles bis heute noch alle Lesenden.