JP Delaney: Du gehörst uns, Aus dem Englischen von Sibylle Schmidt, Penguin Random House Verlagsgruppe, München 2021, 437 Seiten, €15,00, 978-3-328-60198-2
„Einen Moment lang ist mir schwindlig. Wie kann nur ein gewöhnliches Paar gleichzeitig mit so vielen Gerichtsverfahren zu tun haben? Wir kämpfen um Theo, wir kämpfen um David, wir verklagen das Krankenhaus….Es kommt mir vor, als jonglierten wir gleichzeitig mit mehreren Tellerstapeln auf Stöcken und müssten verhindern, dass jede Menge Porzellan zu Bruch geht.“
Pete Riley und sein zweijähriger Sohn Theo haben an diesem Morgen so einige Probleme, denn Theo benimmt sich im Kindergarten ziemlich aggressiv. Allerdings denkt Pete, das sei nur eine Phase. Petes Lebensgefährtin Maddy ist indes schon längst mit ihrer stressigen Arbeit in einer Werbeagentur beschäftigt. Pete und Maddy haben sich darauf geeinigt, dass Pete sich als freiberuflicher Journalist mehr der Kinderbetreuung widmet als sie. Immerhin verdient sie das Geld und er kann wirklich viel besser mit Theo umgehen.
JP Delaney hat für seinen Thriller zwei Erzählperspektiven gewählt. Zum einen kommt Pete zu Wort und zum anderen berichtet Maddy, wie sie die Ereignisse bewertet.
Als dann jedoch Miles Lambert mit einem Privatdetektiv bei Pete vor der Tür steht, müssen Pete und Maddy erfahren, dass ihr Sohn Theo mit Miles Lamberts Sohn David in der Spezialklinik im St. Alexanders Hospital für Frühchen vertauscht wurde. Miles Lambert entpuppt sich als einnehmender Machtmensch, der natürlich die Klinik verklagt. An seine ziemlich schüchterne, immer teuer angezogene Frau Lucy kann sich Maddy noch aus den Tagen in der Klinik erinnern. Beide Frauen bangten um die Kinder, doch Maddy spürte, dass sie eher ein distanziertes Verhältnis zu ihrem Sohn hatte. Nach einer Psychose musste Maddy mehrere Wochen in die Klinik. Erstaunlich ist, wie klar erkennbar die Ähnlichkeiten zwischen Maddys und Davids zartem Gesicht sind und Miles Charakter, der sich immer als Rugby-Spieler brüstet, und dem energiegeladenen Theo. Als das Paar sich dann gemeinsam zum ersten Mal trifft, wird jedoch deutlich, dass David in seiner Entwicklung stark zurückgeblieben ist und wahrscheinlich sein Leben lang Hilfe benötigen wird. Einvernehmlich gehen die Paare davon aus, dass die Jungen in ihren bisherigen Familien verbleiben sollen und sich doch wie Cousins oft sehen. Pete und Maddy schlagen sogar vor, dass Miles und Lucy Theos Taufpaten werden könnten.
Augenscheinlich ist, dass Miles und Lucy ihrem Kind mehr bieten können als Pete und Maddy. Und so kann sich Pete dem übergriffigen Miles auch schwer entziehen, der Theos Schulkarriere natürlich auf einem Eliteinternat bereits plant. Miles will auch unbedingt, dass die Familien gemeinsam Urlaub machen. Ständig steht er mit Geschenken vor der Tür und mischt sich in alles ein.
Will Pete eine freundschaftliche Beziehung zu Miles aufbauen, so ist Maddy auch zeitlich bedingt, eher zurückhaltend. Sie spürt eine Nähe zu David, ist aber vorsichtig.
Hätten Pete und Maddy gewusst, dass Miles bereits vor acht Wochen geplant hatte, die Geburtsurkunde von Theo umzuschreiben und ihn als seinen Sohn anerkennen zu lassen, wären sie sicher nicht so naiv und freundlich gewesen. Von einem Tag auf den anderen jedenfalls kippt die gute Beziehung der beiden Paare in Feindschaft, denn Miles hat nun den Antrag gestellt, dass er und Lucy sich um Theo und David kümmern werden.
Ein Prozedere mit den Behörden beginnt nun, an dessen Ende Pete beschuldigt wird, die Bändchen der Frühchen in der Klinik vertauscht zu haben, bei Maddy ausziehen muss und Theo in der Familie von Miles vorerst leben soll. Eine Katastrophe. Kleine Lügen, die gut gemeint waren, führen zu ungeheuren Folgen. So wollte Pete nicht die sympathische Säuglingsschwester Bronagh in Schwierigkeiten bringen und Maddy hat natürlich über ihren Alkoholkonsum am Abend gelogen. Die zweite Hypothek, die Maddy und Pete auf ihr Haus aufnehmen müssen, um die Anwälte zu bezahlen, sorgt für schlaflose Nächte, aber nicht nur sie. Miles schafft es, jede noch so unwichtige Äußerung von Pete oder Maddy zu seinen Gunsten zu verdrehen. Er, der es gewohnt ist, der Sieger im Wettkampf zu sein, hat jedoch nicht mit seiner sensiblen Frau gerechnet und ihrem Gefühl für Gerechtigkeit und Anstand.
Als Lesender bleibt man bis zuletzt an der Seite von Pete und Maddy, den vermeintlich schwächeren Figuren in diesem spannenden Roman und durchlebt mit ihnen die Zeit in der Spezialklinik und vor Gericht. Trotz vieler Details gerade die Sorgepflicht betreffend, vermag es JP Delaney, psychologisch glaubhaft den Kampf der Eltern um ihre Kinder zu schildern und ein Ende zu konstruieren, dass ungewöhnlich ist.