Harriert Walker: Die Neue, Aus dem amerikanischen Englisch von Violeta Topalova, bold ein Imprint der Verlagsgesellschaft dtv, München 2021, 381 Seiten, €14,90, 978-3-423-23026-1
„Wir waren uns charakterlich so ähnlich, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. Zuerst hatte ich meine Vertretung als eine Art Zerrbild und Antithese meiner selbst betrachtet: klein statt groß, dunkel statt blond, hübsch statt streng und offen statt schrecklich schüchtern.“
Aber dann zweifelt Margot Jones doch an ihrer Auswahl und fühlt sich durch Tweeds und sogar Artikel von Maggie bedroht. Dabei hat Margot den absoluten Traumjob in London, den sich jede Frau, die auf Mode, Promis und Glamour steht, vorstellen kann. Als leitende Redakteurin des Moderessorts bei der Zeitschrift Haute und zehnjähriger Erfahrung in den Printmedien kennt sie alle Untiefen in ihrem Job. Aber nun ist sie schwanger und ihr Mann Nick und sie freuen sich aufs Baby. Ein Wunder ist auch, dass ihre allerbeste Freundin Winnie ebenfalls schwanger ist. Doch Winnie verliert ihren Sohn Jack gleich kurz nach der Geburt. Das gestorbene Baby scheint alles Schlechte aus der langjährigen Freundschaft, wieder ans Licht zu holen. Winnie sendet, ein Schock, der schwangeren Margot ein Foto vom toten Baby. Sie schweigt beharrlich, beantwortet keine Mails von Margot und sendet ihr sogar all ihre Geschenke zurück. Margot jedoch bleibt seltsamerweise passiv, denn sie fühlt sich schuldig für etwas, was passiert sein muss, als Margot und Winnie noch gemeinsam in die Schule gegangen sind. Immer wird der Name eines Mädchens genannt, Helen. Helen, die nicht wie die anderen Sechzehnjährigen so kindisch war, freundete sich immer enger mit Winnie an und Margot war außen vor. Doch dann geschah ein Unfall!
Harriert Walker, einst selbst Moderedakteurin bei angesagten Magazinen, lässt ihre Hauptfiguren Margot, Maggie und Winnie aus ihren ganz eigenen Blickwinkeln vom Geschehen eines Jahres berichten und von Zeit zu Zeit auch über Vergangenes reflektieren.
Margot sucht nun eine Vertretung für ein Jahr und findet diese in Maggie Beecher, einer etwas pummeligen, anpassungsfähigen und sehr umgänglichen, manchmal leicht ordinären, freien Journalistin. Margot erlebt alles, was auch andere Schwangere, die einen guten Job ergattert haben. Sie fühlt sich am Ende im Büro fast überflüssig, zumal ihre Chefin von Maggie ganz eingenommen ist. Diese kann es nicht lassen, noch am letzten Tag, als Margot ihre Sachen packte, sich die Haare blond färben zu lassen, in Margots Farbe.
Doch dann ist Töchterchen Lila da und Margots Hormone spielen verrückt und die Welt ist in Rosa getaucht. Seltsamerweise hat sie alle Zeit der Welt, um den Social Media – Kanälen ihrer Stellvertreterin sozusagen hinterher zu spionieren. Maggie genießt die finanzielle Sicherheit ihres neuen Jobs, sie beginnt besonders in der Fashion-Week sich unheimlich wichtig vorzukommen und sie hat ein Händchen, um die Mädels im Büro und auch die Presseleute auf ihre Seite zu ziehen. Die Angst, diese Arbeit, die ihr offenbar keine Probleme bereitet, wieder zu verlieren, raubt ihr den Schlaf. Seltsamerweise weckt der Gedanke an den Abschied vom Luxus auch alle fiesen Eigenschaften in Maggie.
In Zeiten, in denen Privates erst existiert, wenn es auf Fotos der Öffentlichkeit präsentiert wird, blühen Häme und Hass. Natürlich muss das auch Margot erfahren. Doch versteckt sich hinter den gemeinen Äußerungen, die auf sie abzielen, auch wirklich Winnie?
Als Maggie dann auch noch nach einer Weihnachtsfeier bei Margot immer mehr im stilvoll eingerichteten Haus verkehrt und sogar die Babysitterrolle übernimmt, scheint sich das Unheil zusammenzubrauen. Maggie trifft dann auch noch Winnie und wie in der Schule verbündet sich ein Mädchen mit der Neuen und die bisherige Freundin ist abgemeldet.
Wozu Frauen in Freundschaften fähig sind, darum kreist diese Geschichte und um den Schmerz, ein Kind zu verlieren. Margot ist für den Leser nicht die, die Winnie beschreibt und sieht. Maggie verändert sich zusehends und Margot wird befreit nach einem Jahr ihre Arbeit wieder aufnehmen.
Fein beobachtete, spannende Figuren in einem Milieu, das oberflächlich sein mag, aber doch immer wieder gut für einen unterhaltsamen Roman.