Ulrike Herwig: Schiefer die Socken nie hingen, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2019, 303 Seiten, €14,00, 978-3-423-28200-0
„Das Wort besinnlich existierte im Amerikanischen gar nicht. Es gab keine Übersetzung dafür, denn er hätte sowieso nie jemand benutzt. Amerikanische Weihnachten waren so besinnlich wie ein WM-Endspiel zwischen Deutschland und England.“
Mitte Dezember befindet sich Familie Bachmann bereits in den Weihnachtsvorbereitungen. Alles hat seine Tradition in Weimar: die Dekoration, der Baum, das Essen. Doch an diesen Feiertagen scheint alles anders zu werden, denn die jüngste Tochter Emily, die in Berlin in ihrer WG irgendwie noch auf der Suche ist und nicht studiert, hat kurzerhand ihren Weihnachtsbesuch abgesagt. Hipp wie nun mal ihre WG ist, hassen alle den Konsumrausch und vor allem sind sie Veganer.
Emily schließt sich freudig an und holt gleich mal vier einsame rumänische Hunde aus dem Tierheim.
Charlotte ist die älteste Tochter der Bachmanns. Sie feiert Weihnachten mit Mann Rob und Baby Conner bei der nach Weihnachten verrückten riesigen Familie Miller in Seattle. Sicher ist es ein Umstellung zur deutschen Weihnacht, wenn in jedem Raum des amerikanischen Hauses ein Weihnachtsbaum steht, das Haus mit tausend Lampen und Weihnachtsdevotionalien überhäuft ist und die Stromrechnung ins Unermessliche steigen wird. Außerdem müssen alle die gleichen Christmas Sweater fürs Foto tragen. Gigantische Weihnachtstage sind gar kein Ausdruck für die Begeisterung der Millers.
Anne, die mittlere Tochter der Bachmanns, lebt in London. Alles soll diesmal so sein, wie die Engländer es zu Weihnachten lieben. Mit Hilfe ihrer Nachbarin, Mrs. Brown, hat Anne alle Köstlichkeiten, u.a. den traditionelle Plumpudding und Mince Pies für die Feiertage gezaubert. Insgeheim hofft sie auf einen Heiratsantrag von ihrem Freund Jason und steht dann kurz vor Weihnachten vor einem Scherbenhaufen, denn Jason trennt sich. Zeitgleich steht auch Emily allein in ihrer WG, denn Jannik, ihr Mitbewohner, hat sich trotz edler Vorsätze zum Schweizer Skiurlaub einladen lassen.
Julia Bachmann überredet nun ihren Mann Frank zu einer spontanen Reise in Emilys WG, damit die Tochter am Heiligen Abend trotz Hunden nicht allein ist. Die höchst lebendige 80-jährige Schwiegermutter reist mit und natürlich die gefrorene Gans, die nicht fehlen darf.
Als Anne ihre Mutter anruft und von dem Desaster mit Jason erzählt, wird es kompliziert, denn Frank weigert sich schon seit längerem in ein Flugzeug zu steigen. Aber mit Hilfe von Alkohol und seltsamen unfreiwillig eingenommenen Drogen läuft alles gut. Nach dem Tohuwabohu in der Berliner WG, in der der Ofen schon lang nicht mehr funktioniert und dann auch noch Jannik mit Musikerfreunden zurückkehrt, fliegen alle, auch Emily, zur Schwester nach London. Angedüselt und in bester Stimmung verspricht Frank, der ja nun Opa geworden ist, seiner ältesten Tochter am Telefon, dass sie alle auch in Seattle vorbeikommen.
Herrlich unsentimental, auch wenn mal ein paar Tränen fließen, und komisch zugleich liest sich dieser weihnachtliche Familienroman, in der die Bachmanns und die Millers am Ende mit zwei Megastollen wunderbare, quietschbunte Feiertage begehen. Ob das alles organisatorisch ( kurzfristige Flüge buchen u.a. ) funktionieren könnte, bleibt ein Weihnachtswunder und wie Oma Elisabeth alles so gut durchsteht, ebenfalls.
Von schmaler Weihnachtsdeko mit Räuchermännchen, englischen Papierkronen nebst Christmas Crackern zu übergroßen Weihnachtsfiguren auf total beleuchteten Häusern und extra gebauten Pfefferkuchenhäusern – die Bachmanns erleben alles, XXL– Weihnachten sozusagen Zuhause, in Berlin, London und Seattle.
Ein Weihnachtslesespaß für ruhige Feiertag – mit Weihnachtspunsch, Plätzchen, Stollen und Vanillekipferl!