Robin Stevenson: Der Sommer, als ich die Bienen rettete, Aus dem Englischen von Bettina Münch, Rowohlt Verlag Rotfuchs, Reinbek bei Hamburg 2017, 250 Seiten, €16,99, 978-3-49921782-1
„O Mann! An meinen Schultern ragten Flügel aus Drahtgewebe in die Luft. Das Kostüm sah bekloppt aus. Nein, ich sah bekloppt aus. Wie eine Kreuzung aus Hummel und Riesenmarshmallow.“
Es ist schon ein Kreuz, da trennt Jade, die wachsame und energiegeladene Mutter des zwölfjährigen Wolf, ihren Müll, sorgt sich um den Klimawandel, isst kein Fleisch, nichts Süßes, zieht ihr eigenes Obst und Gemüse und doch wird die Welt in gar nicht langer Zeit verhungern. Ihr Sohn hat mit seinem besten Kumpel Duncan ein Referat über das Bienensterben ausgearbeitet. Und dieser Vortrag ist nun schuld, dass die gesamte Patchworkfamilie sich quer durch Kanada auf den Weg machen wird, um die Menschen vor Pestiziden und vor allem den Weltuntergang zu warnen.
Wolf erzählt diese Geschichte und kann nicht fassen, dass er bald als dicke Drohne in den Straßen von Kanada die Erde retten wird und seine Mutter mit ihren Jonglierkünsten Aufklärungsarbeit leistet. Vor allem postet seine Mutter die Aktion. Absolut peinlich. Sicher sehen die fünfjährigen Halb- und Zwillingsschwestern von Wolf in ihren Bienenkostümen süß aus, vielleicht macht es ihnen Spaß den gesamten Sommer in einem alten Van, der auch noch bemalt ist wie eine Biene, durch die Gegend zu fahren, aber Wolf und seine fünfzehnjährige Stiefschwester Violet wollen einfach nur abtauchen. Hinzu kommt noch, dass beide ihre Schule früher beenden müssen. Curtis, der Vater der Mädchen, hält sich im Hintergrund. Und so kommt es, dass sich Wolf um die kleinen Schwestern kümmern muss. Er ist es, der bemerkt, dass Whisper nicht mehr spricht und sich im Gegensatz zur pausenlos plappernden Saffron vor allem ängstigt. Gegen alles, was Jade sagt, schießt Violet mit scharfen Worten und sie erzwingt, dass ihr Freund Ty auf der Reise dabei ist.
Allerdings findet die Fahrt, die ein ziemliches Desaster ist, bereits frühzeitig ein Ende, denn der Ford-Kleinbus hat seinen Geist aufgegeben. Wolf hat keine Lust mehr, die Wutanfälle von Whisper, die ebenfalls ihr Kostüm hasst, zu ertragen. Sie spricht kein Wort, nässt im Schlaf das Bett ein und ist totunglücklich. Immer wieder versucht er, mit der Mutter zu reden, die alles in den großen Zusammenhang stellt. Natürlich kann das kleine Familienproblem mit dem Weltsterben nicht mithalten. Fanatisch pocht die Mutter auf ihre Rettungsaktion und sieht nicht, welche Bedürfnisse ihre Kinder haben. Natürlich möchten die Zwillinge lieber schwimmen gehen als niedlich in der Gegend herumzustehen. Violet hat längst beschlossen abzuhauen. Auch wenn sie in allem so selbstsüchtig ist, sorgt sie sich doch um die Mädchen und den Bruder. Wolf ist hin- und hergerissen, er weiß, wie wichtig der Mutter diese Reise ist und wie sehr sie seine Unterstützung braucht, aber er kennt auch die Reaktion anderer Menschen, die die Aktion mehr als abgefahren, um nicht zu sagen, verrückt finden.
Ty, Violet, Wolf und die beiden Mädchen, die natürlich keine Ahnung haben, was wirklich los ist, kratzen alles Geld zusammen und steigen in den nächsten Bus nach Nelson, um dort bei der Großmutter unterzutauchen, die Violet zuletzt vor sieben Jahren gesehen hat.
Auf beeindruckende Art erzählt die kanadische Autorin Robin Stevenson aus der Perspektive von Wolf über so genannte „Gutmenschen“ und deren Konflikte. Auch wenn die Mutter die Gutmütigkeit ihres Sohnes ausnutzt, ihm einfach zu viel Verantwortung zuschiebt, kann der Junge endlich am Ende der Geschichte über seine Sorgen reden und den Finger in die Wunden legen. Wie soll im Große alles gut laufen, wenn schon mal die kleinen Dinge nicht funktionieren? Warum muss er sich pausenlos um die Mädchen kümmern, wenn es da einen anwesenden Vater gibt, Curtis? Warum wird nicht verstanden, dass Violet und er die Schule beenden wollen? Warum sollen sich Fünfjährige um die durchaus auch ehrenwerten Probleme der Erwachsenen sorgen?
Robin Stevenson hält die Balance zwischen dem Ernst der Geschichte, die Sorge um die Natur, die wissenschaftlichen Infos über das Leben der Bienen, aber auch der Komik und der Kraft der Kinder, die ihre Bedürfnisse gegen die engstirnigen Erwachsenen durchsetzen.
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