Amy Gentry: Good as gone – Ein Mädchen verschwindet. Eine Fremde kehrt zurück., Aus dem amerikanischen Englisch von Astrid Arz, C. Bertelsmann Verlag, München 2017, 317 Seiten, €12,99, 978-3-570-10323-4
„Und das ist, der einzigen Augenzeugin zufolge, die Geschichte, wie ich in einer Nacht meine Tochter – nein, meine beiden Töchter, einfach alles – verloren habe.“
Das ist der Alptraum jeder Familie, ein Kind verschwindet und kein Lebenszeichen oder Leichnam wird gefunden. Und das ist das einzige, was sich Anna, die Mutter der entführten Julie wünscht. Sie möchte ihre Tochter wenigstens begraben. Vor acht Jahren hat ein Unbekannter die 13-jährige Julie einfach so aus dem Haus der Whithakers mit einem vorgehaltenen Messer mitgenommen. Ihre jüngere Schwester Janie saß zum Zeitpunkt der Tat wie gebannt im Schrank. Erst nach drei Stunden traut sie sich, ihre Eltern zu informieren. Da ist klar, dass laut Polizeierfahrung die ersten Spuren getilgt sind und das Kind bereits tot sein könnte. Anna kann, auch wenn Janie erst zehn Jahre alt war, ihrer Tochter nicht verzeihen. Für Anna ist Julie das makellose Kind, dass sich, und das will die Mutter nicht sehen, bereits auf den letzten Fotos so sehr verändert hat. Das Verhältnis zwischen Anna und Janie ist jedenfalls völlig zerrüttet und so studiert die Tochter auch so weit weg von Huston wie sie nur kann. Als sie in den Sommerferien die Eltern besucht, steht plötzlich eine dehydrierte, abgemagerte junge Frau vor der Tür. Es ist Julie.
Amy Gentry konzentriert sich in ihrer Geschichte nun auf das Beziehungsgeflecht zwischen den Familienmitgliedern. Die Außenwelt mit Presserummel und Polizeiarbeit spielt keine Rolle. Erstaunlich ist, wie schnell Julie über ihren Missbrauch durch den Mann, der sie entführt hat, sprechen kann. Sie wurde angeblich als Teenager an andere Männer verkauft und als Sexsklavin in Mexiko gehalten. Als sie zu alt war und sozusagen ausgesourct werden soll, kann sie ihrer Hinrichtung entfliehen.
Alle sind glücklich über Julies Rückkehr, auch Janie, die bemerkt, dass Julie eine Handy hat, von dem sie ihren Eltern und der Polizei nichts erzählt hat. Die Handlung eskaliert als die beiden Schwestern lang ausbleiben und nicht erreichbar sind. Anna schiebt alle schuld auf Janie und ohrfeigt sie. Aber zu diesem Zeitpunkt ist der Leser nicht mehr sicher, ob Julie die wahre vermisste Tochter der Whithakers ist.
Als sich der Privatdetektiv, Alex Mercado, bei Anna meldet, hat diese bereits bemerkt, dass Julie nie zur ihren Therapiestunden fährt. Durch den ehemaligen Polizisten, der damals noch im Dienst war, als Julie verschwand, erfährt Anna nun, dass die Polizei ganz generell nie nach vermissten Kindern gesucht hat. Doch kann sie das glauben, sie die sich so auf die Polizei verlassen hat? Mercado jedoch hat eine Spur zu einem kindlichen Leichnam gefunden. Und er hat Julie auf einem Youtube Video entdeckt, da nennt sie sich Gretchen. Was ist, wenn Julie gar nicht entführt wurde, sondern einfach nur weggelaufen ist? Aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt die amerikanische Autorin ihre absolut spannende und sprachlich anspruchsvolle Handlung, mal erzählt Anna, dann wieder Julie, aber es geht auch um Karen, Charlotte, Vi oder Gretchen. Wer steckt hinter all diesen Identitäten?
Wer ist Julie, so sie es denn ist, heute? Kennt eine Mutter ihr Kind, dass plötzlich als 21-Jährige vor der Tür steht? All diese Fragen spielt der Kriminalroman durch und das durchaus plausibel und enorm fesselnd geschrieben. ‚, ‚Good as gone – Ein Mädchen verschwindet. Eine Fremde kehrt zurück.
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