Trish Doller: Sternenhimmeltage, Aus dem Englischen von Ann Lecker, Carlsen Verlag, TB, Hamburg 2016, 350 Seiten, €8,99, 978-3-551-31439-0
„Ich könnte sie fragen, wohin ich ihrer Meinung nach allein hätte gehen oder wie ich sie hätte finden sollen, aber so ist meine Mutter nun mal. Sie glaubt, dass ich mir das irgendwie alles ausgesucht habe. Und obwohl ich weiß, dass ihre Persönlichkeitsstörung daran schuld ist, kann ich die winzige Stimme in meinem Kopf, die ihr Recht gibt, nicht zum Schweigen bringen.“
Callista Tzorvas wurde als fünfjähriges Mädchen von ihrer Mutter entführt. Es war nicht klar, ob dem leiblichen Vater das Sorgerecht allein zugesprochen werden würde.
Doch Callies Mutter machte auch damals das, was sie am besten konnte, vor Problemen weglaufen. Callies Eltern haben sich als Teenager bereits geliebt, verheiratet waren sie dann allerdings nur drei Jahre. Jetzt ist Callie 17 Jahre alt und sie ist ein extrem minimalistisches, armes Leben gewohnt. Sie hat kaum eigene Sachen, ist nie in die Schule gegangen und musste immer wieder ihren Namen und ihr Aussehen verändern. Mal hat sie mit der Mutter im Auto geschlafen, dann bei einem Freund der Mutter gelebt oder irgendwo in einer miesen Wohnung. Callie weiß, dass die Mutter auf der Flucht ist, an Depressionen leidet und sie weiß, wenn die Mutter den schäbigen Koffer hervorholt, dann ist der Aufbruch nah. Und so konnte das Mädchen weder Freundschaften schließen, noch in Sicherheit leben. Wenn die Mutter am Abend kellnerte, dann zog Callie um die Häuser oder sie suchte sich am Tag eine Bibliothek, um in Ruhe zu lesen. Niemand ahnt, dass Callies Kindheit mit acht Jahren endete, als der Freund der Mutter Callie sexuell missbrauchte. In ihren Träumen kehren die Horrorbilder und Erinnerungen regelmäßig zurück.
Doch dann eines Tages gerät die Mutter mit ihrem geklauten Auto und ohne Papiere in eine Polizeikontrolle und alles fliegt auf.
Greg, Callies Vater, holt die für ihn nun fremde Tochter nach Hause nach Tarpon Springs. Er hat inzwischen geheiratet und ist Vater zweier kleiner Söhne. Callie stellt fest, dass ihr Vater nicht das Monster ist, zu dem die Mutter ihn in ihren Erzählungen gemacht hat und sie genießt die riesige griechische Familie. Und doch schafft sie es nicht, ihren Koffer auszupacken. Als sie Kat, ihre Cousine und ehemalige Freundin, trifft, lässt sie sich zum ersten Mal auf eine Freundschaft ein. Kontakte zu Männern regelt sie über den Körper, den etwas anderes hat sie nicht gelernt. Greg hat der Tochter einen Wohnwagen eingerichtet, denn ein größeres Haus ist erst im Bau. Er ist äußerst unsicher, wie er mit der Tochter umgehen soll. Er will Regeln aufstellen, bemerkt aber den Freiheitsdrang seines Kindes. Gegen Kaution der Eltern freigelassen, nähert sich Callies Mutter der Tochter und lebt trotz angedrohter Gefängnisstrafe ihr altes Leben weiter. Sie klaut der Tochter ihren ersten Laptop und verscherbelt diesen gleich und sie erwartet von der verantwortungsbewussten Callie, das sie mit ihr fortgeht. Callie sitzt nun zwischen allen Stühlen, denn sie liebt ihre komplizierte, kranke Mutter und sie fühlt zum ersten Mal ein Sicherheitsnetz durch ihren Vater, der erkennen muss, dass Callie nicht mehr erzogen werden will. Inzwischen hat die junge Frau auch Alex, den sympathischen Schwammtaucher, kennengelernt und sie hat einen Job in einem Souvenirshop und verdient ihr eigenes Geld.
Zum Glück ist diese Geschichte nicht wie üblich bei Jugendromanen aus der personalen Perspektive erzählt. Zwar schaut Trish Doller schon aus dem Blickwinkel ihrer Heldin auf das Geschehen, aber es gibt immer wieder auch Rückblenden.
Interessant an der Lektüre ist dieses so andere Leben in den USA mit mehr Freiräumen, aber auch extremen Unsicherheiten und Gefahren.
Es wird davon erzählt, wie loyal Kinder gegenüber ihren Eltern sind und vor allem von Callies innerem Konflikt, der Wahl zwischen Nomadenleben und behütetem Dasein.
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