Lisa Williamson: Zusammen werden wir leuchten, Aus dem Englischen von Angelika Eisold Viebig, TB, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2015, 380 Seiten, €12,99, 978-3-7335-0076-4

„Hier ist meine Gelegenheit, mich zu outen. Fünf kurze Wörter: Ich – möchte – ein – Mädchen – sein. Aber sie kommen nicht heraus. … Mum erwartet, dass ich mich als schwul oute.“

Wie fühlt sich ein Mensch, der im falschen Körper steckt? Was wird die Familie, was werden die Freunde sagen, wenn die Wahrheit ans Licht kommt und es nicht nur so eine „Phase“ ist, wie viele Eltern gern behaupten?

Der 14-jährige David weiß es, aber er schafft es nicht, endlich zu sagen, wie es um ihn steht. Dabei lieben seine Eltern ihn, nur seine elfjährige Schwester Livvy ist einfach nur ein nervige Zicke.

Aus Davids Sicht schaut der Leser in das Innenleben eines Transgender, der in seinem Körper gefangen ist. Aber Lisa Williamson erzählt ihre Geschichte auch aus dem Blickwinkel von Leo, einem Eigenbrödler und Geheimniskrämer. Leo lebt mit seiner Zwillingsschwester, seiner kleineren Schwester und mit der nicht gerade zuverlässigen Mutter in Cloverdale. Oftmals ist der Kühlschrank leer, die Mutter hat wechselnde Freunde und die Familienatmosphäre wird nicht besser als wiedermal ein Mann einzieht. Leo geht neuerdings auf die Schule von David, auf die Eden Park Schule, obwohl er eigentlich aus einem sozial eher schwachen Bezirk kommt. Seine Begabung in Mathematik hat ihm den Weg geebnet. Was wirklich an seiner alten Schule passiert ist, wabert wie ein Gerücht durch die Schulgänge.

Als David wiedermal von seinem Klassenkameraden Harry als Freak drangsaliert und gedemütigt wird, greift Leo ein und verprügelt den Mobber. So lernen sich die beiden Jungen kennen und Leos Geheimnis kommt ans Tageslicht. Auch er steckt im falschen Körper, denn Leo hieß früher Megan.

Leos Verhältnis zur Mutter ist nicht das beste und so klammert er sich an den Gedanken, seinen Vater endlich zu finden. Als sich Leo Alicia nähert, weiß er, dass er irgendwann klar sagen muss, dass er ein Junge sein möchte, aber körperlich ein Mädchen ist. Alicia jedoch sagt kein Wort, nur ihre Freundin Becky recherchiert, was an Leos Schule vorgefallen ist. Leo will einen Schlussstrich ziehen und endlich seinen Vater kennenlernen. Mit Davids finanzieller Unterstützung reisen die zwei zum ersehnten Treffen. Und David will die Gelegenheit endlich nutzen, um für sich den „Alltagstest“ zu wagen. In Mädchenklamotten, in denen er sich ausgesprochen wohl fühlt, bespricht er mit Leo alles, was ihn schon immer bewegt hat. Und auch Leo öffnet sich. Leos launische Mutter hat trotz ihrer Distanz zu dem Thema ihrem Kind geholfen und ihn zu einem Arzt gebracht. Mit Hormonbloggern und Spritzen stoppt Leo die Pubertät. Doch wie wird sein Vater auf den Sohn, der ja eigentlich eine Tochter sein sollte, reagieren? Und schafft es David, seine Eltern endlich vor vollendete Tatsachen zu stellen?

Das Thema „Geschlechtsidentität“ ist eine Herausforderung, die, in eine Geschichte für Jugendliche umzusetzen, nicht einfach ist, aber Lisa Williamson hat es durch ihre lebendig dargestellten und überzeugenden Protagonisten zumindest geschafft, das der Leser ahnt, wie es im Inneren eines Jugendlichen aussehen kann, der sich anders fühlt und anders leben möchte. Leo und auch David treffen nicht nur auf Menschen, die sie nicht verstehen und generell ablehnen, sie finden auch Freunde und Freundinnen, die offen sind für ihre Probleme und Sehnsüchte.