Kim Faber, Janni Pedersen: Winterland, Ein Fall für Juncker und Kristiansen, Aus dem Dänischen von Franziska Hüther, Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House, 624 Seiten, €15,00, 978-3-7645-0724-4
„Juncker hat es nie jemandem erzählt, nicht einmal seiner Frau: dass es für ihn nichts Spannenderes, nichts Sinnstiftenderes gibt, als Mordfälle aufzuklären. Er hat sich oft gefragt, ob er vielleicht einen seelischen Knacks hat. Ob man es wirklich noch normal bezeichnen kann, eine derartige … ja, um es direkt herauszusagen, Freude zu empfinden beim Gedanken daran, seine Nase sprichwörtlich in Leichen verschiedensten Verwesungsgrads zu stecken und Hunderte kleine Teilchen zu einem vollständigen Puzzle zusammenzusammeln.“
Martin Junckersen, kurz Juncker, musste sich aus persönlichen Gründen ( Affäre mit attraktiver Strafverteidigerin ) als Polizeikommissar in eine neu eingerichtete Polizeistelle in Sandsted im Seeland versetzen lassen. Charlotte, seine Frau, möchte die Scheidung. Juncker lebt nun bei seinem Vater im Haus, der langsam durch seine Krankheit in ein Stadium des Vergessens versinkt und sich vehement gegen die Einweisung in ein Pflegeheim wehrt. In Sandsted wurde gegen den Widerstand der Einwohner eine Flüchtlingsheim für minderjährige Geflüchtete aus Syrien, Irak, Afghanistan und afrikanischen Staaten errichtet. Hier gab es einen Fall von Vergewaltigung, den die Betroffene auch angezeigt hat. Die Verdächtigen sehen allerdings nicht wie junge Erwachsene unter 18 Jahren aus. An Junckers Seite arbeiten zwei junge Polizisten, Nabiha Khalid und Kristoffer Kirch, der auch in Afghanistan gedient hat.
Immer im Wechsel übernimmt ein personaler Erzähler die Geschichte und berichtet mal aus Junckers Blickwinkel und mal aus Signe Kristiansens Perspektive. Die zweiundvierzigjährige Ermittlerin Signe lebt mit Ehemann Nils und zwei Kindern in Kopenhagen. Hier wurde am 23. Dezember ein Bombenanschlag auf den Weihnachtsmarkt verübt. Wenige Zeit später töten zwei Männer ein Ehepaar in Sandsted, dass weit ab von Nachbarn im Wald lebt.
Seltsamerweise geht kein Bekennerschreiben zum Kopenhagener Anschlag bei der Polizei ein. Diese glaubt, dass die Bandenkriege zwischen den muslimischen kriminellen Clans mit der Ermordung von einundzwanzig unschuldigen Menschen zusammenhängen könnten. Doch nach einigen Recherchen und auch glücklichen Zufällen gelangen die Ermittler auf eine andere Spur. Ein dänischer IS-Kämpfer, der eigentlich in Afghanistan umgekommen ist, taucht putzmunter in Kopenhagen auf und lächelt süffisant in die Überwachungskameras der Polizei. Er ist nun das Ziel der Suche und sein Komplize aus dem Flüchtlingsheim in Sandsted.
Parallel zur Handlung findet ein Brandanschlag aufs Flüchtlingsheim statt und genau das Zimmer der angeblichen Vergewaltiger trifft der Molotowcocktail.
Juncker hat nun zwei Fälle am Hals, die Ermordung des Ehepaars Larsen im Waldhaus und die Tötung eines tunesischen Geflüchteten. Bent Larsen war wohl ein rechtsradikaler Nazi der übelsten Sorte, seine Frau laut Mädchennamen vielleicht sogar Jüdin.
Was diese beiden Personen mit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt zu haben, wird sich im Laufe der Geschichte herausstellen. Dass Bent Larsen Kontakt zu radikalen Islamisten aus Dänemark und Afghanistan hatte, wird immer deutlicher. Die Ermittler, für die nun das Weihnachtsfest und auch die Silvesterfeiern ausfallen, stehen vor einem Rätsel. Warum kooperiert die Neonaziszene mit denjenigen, die sie eigentlich aus ihrem Land entfernen wollen? Und was vertuscht der dänische Geheimdienst?
Juncker und Signe werden wieder zusammenarbeiten, zumal sich beide schon vermisst haben und erst gemeinsam zu Höchstleistungen auflaufen.
Auf 624 Seiten konstruiert das Autorenduo Pedersen und Faber eine absolut spannende Krimihandlung, in der der Leser trotz vieler Verwicklungen der einzelnen Straftaten nie den Überblick verliert. Den Bezug zur Realität der Leser und Leserinnen immer im Augen erzählen die die Autoren von staatlichen Institutionen, die versagen und skrupellosen Kriminellen, für die ein Menschenleben keinen Wert hat und die um jeden Preis nur eines wollen, Chaos.