Sybil Volks: Wintergäste, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2015, 416 Seiten, €14,90, 978-3-423-26080-0

„Und deshalb, sagt sich Inge und zieht die Decke bis unters Kinn, während der kühle Nachtwind ums Haus weht, wäre es gar nicht verkehrt, wenn sie alle noch ein Weilchen unter diesem Dach zusammenblieben. So lange bleiben, bis die eine oder andere Sache geklärt ist.“\r\n\r\nInge Boysen liegt im Sterben und Schwiegertochter Kerrin hat den Tod der Anverwandten, mit der sie unter einem Dach im Haus Tide irgendwo in Friesland lebt, zu früh vermutet und ausposaunt. Alle Familienmitglieder begeben sich nun im eisigen Dezember kurz nach Weihnachten auf den Weg. Doch Inge öffnet plötzlich wieder die Augen und ist putzmunter, allerdings bettlägerig. Kerrin versucht nun den Tross der Verwandtschaft zu stoppen. Unmöglich. Inges Kinder, Enno, der Mann von Kerrin lebt im Haus, aber Gesa, Boy und Berit und die Enkeltochter Inka sitzen bereits im Flugzeug, Zug oder Auto. Nur Karsten konnte noch rechtzeitig informiert werden.

Sybil Volks macht den Leser nun nach und nach mit jedem Familienmitglied vertraut. Nichts stimmt in dieser Familie, und ist das nicht auch so in vielen anderen Familien? Die 46-jährige Gesa ist hochschwanger von Matteo, ihrem Geliebten. Zu Hause jedoch sitzen enttäuscht und von der Situation völlig überfordert ihre Kinder und der Ehemann. Enno glaubt an einer unheilbaren Krankheit zu leiden, wagt sich aber nicht richtig damit auseinanderzusetzen. Seine miese Stimmung jedoch zerstört die Atmosphäre im Familienhaus. Was wird aus diesem Erbe, dem alten wunderbaren Haus mit Schilfdach und Grundstück so nah am Wasser? Soll es nach Inges Tod verkauft werden, um alle Geschwister finanziell besser zu stellen? Sollen es Enno und Kerrin, die für die Mutter gesorgt haben, behalten? Immerhin ist es ihr Zuhause?

Die Konflikte sind vorprogrammiert und sie prallen auf alle ein, die angekommen und freudig feststellen müssen, Inge lebt.

Wie so oft in Familiengeschichten dreht sich auch in diesem Roman alles um Vergangenheit und Gegenwart?

Wer unter den Geschwistern ist der große Egoist, wer musste immer zurückstecken, wurden alle gleich behandelt? Stimmen die Erinnerungen?

Was tut Gesa ihrer Familie heute an? Wie kann sie als gestandene Frauenärztin mit Verantwortung plötzlich so ausscheren und nur an ihr eigenes Glück mit einem um viele Jahre jüngeren Mann denken? Was ist mit Berit, die beruflich und privat nicht auf die Beine kommt, genauso wenig wie Boy?

Der nüchterne Enno wünscht sich alle wieder aus dem Haus, zumal er nicht mehr mit Kerrin in einem Zimmer schlafen möchte. Er braucht Raum und Zeit für sich und sein mögliches Ende. Niemand versteht sein Verhalten, denn er kann nicht über seine Kopfschmerzen reden.

Doch dann kommt das Blitzeis und alle sind verdammt zu bleiben. Weit aus dem Weg gehen kann sich niemand. Die Probleme und Konflikte sollten nun geklärt werden, aber wie?