Robert Galbraith: Weißer Tod, Ein Fall für Cormoran Strike, Aus dem Englischen von Wulf Bergner, Christoph Göhler und Kristof Kurz, Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House, München 2018, 861 Seiten, €, 978-3-7645-0698-8
„Robin saß wie versteinert da. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn er abdrückte. Er hatte behauptet, er würde sie durch ein Kissen hindurch erschießen, um das Geräusch zu dämpfen, aber vielleicht hatte er das mittlerweile vergessen, vielleicht würde er gleich vollends die Beherrschung verlieren.“
Wieder schwebt Robin während ihrer Arbeit beim Privatdetektiv Cormoran Strike zwischen Leben und Tod. Und alles nur weil sie in einem schwachen Moment, dem mutmaßlichen Mörder, ohne es zu ahnen, ein pikantes Detail aus ihrem Privatleben erzählt hatte. Sehr unprofessionell, wo doch Robin so enthusiastisch ihre Arbeit liebt und nichts spannender für sie ist, als in fremde Identitäten mit viel Schminke, neuer Augenfarbe, Perücke oder Brille zu schlüpfen, um Informationen abzuschöpfen.
nCormoran Strike, der einbeinige, groß gewachsene und übergewichtige Detektive ist zurück und mit ihm auch Robin, seine couragierte Mitarbeiterin, die er natürlich unbedingt wieder einstellen will, nachdem er sie nach dem letzten Fall gefeuert hatte. London feiert 2012 die Olympiade und Robin heiratet tatsächlich ihre Jugendliebe Matthew, um bereits während der Hochzeit zu erkennen, dass dies ein riesiger Fehler war. Längst ist das Vertrauen zwischen den beiden zerstört und als Robin begreift, dass Matthew ihre Anrufliste mit Telefonaten von Strike gelöscht hat, bricht erneuter Streit aus. Doch Robin geht auf Hochzeitsreise, mietet mit ihrem großspurigen, engstirnigen Mann und Bilanzbuchhalter ein Haus, der natürlich alle glauben lassen möchte, das Haus gehöre ihm.
Inzwischen jedoch erhält Strike in seiner Kanzlei einen seltsamen Besuch. Ein paranoider, junger Mann namens Billy Knight erzählt ihm, dass er vor Jahren als Kind gesehen haben will, wie ein Mädchen oder Junge vor seinen Augen getötet und in einer rosa Decke verscharrt wurde. Billy entzieht sich der Polizei, die Strike inzwischen hatte rufen lassen.
Ein weiterer Auftrag führt Strike allerdings dann doch zu Billy und zu seinem Bruder Jimmy Knight, einem radikalen Gegner des Establishments und der Olympiade. Der arrogante Kulturminister, Jasper Chiswell, behauptet, Jimmy und sein Widersacher, der Ehemann der Sportministerin, Geraint Winn, würden ihn erpressen. Worum es bei der Geschichte gehe, tue nichts zur Sache und sei angeblich vor sechs Jahren noch legal gewesen. Außerdem wolle Winn Chiswell aus dem Amt drängen. Robin wird kurzerhand mit Wissen der Assistentin Izzy, der Tochter von Chiswell, ins Unterhaus eingeschleust. Da Izzy den Job bald nicht mehr ausüben will, soll das schwarze Schaf der Familie, ihr Stiefbruder Raphael, die Arbeit übernehmen. Robin versucht eine Wanze, im Büro von Winn zu installieren und gelangt somit an wichtige Informationen. Doch bevor ihre geheime Identität aufgedeckt wird, wird Jasper Chiswell grausig ermordet.
Nun könnte ja Strikes Auftrag beendet sein, doch es kommt natürlich ganz anders. Die Tochter des Ermordeten glaubt, dass ihre Stiefmutter Kinvara, eine fanatische Pferdenärrin, den Ehemann ermordet habe. Allerdings hat sie nach Strikes Recherchen ein wasserdichtes Alibi, genauso wie ihr Stiefsohn Raphael. Raff stammt aus einer außerehelichen Beziehung des feinen Kulturministers. Alkoholisiert hatte Raff eine junge Mutter totgefahren. Dank der guten Beziehungen seines Vaters musste er nur eine kurze Haftstrafe antreten. Natürlich hat der Vater den Sohn nie besucht. Allerdings hatte er ihm eine Stelle bei einem Galeristenfreund besorgt. Da Raff die blutjunge Assistentin verführt hat, musste er sich eine neue Arbeit suchen. Total geheim an der ganzen Geschichte ist jedoch, dass der amtierende Kulturminister pleite ist und seine Gemälde, u.a. mit besonderen Pferden aus dem Landhaus in der Galerie verkaufen wollte.
Wobei nun klar wird, dass Chiswell auch die Erpressersumme nie hätte zahlen können, denn seit 2008 hat sich sein Vermögen auch nach Transaktionen seines genialen Schwiegersohnes in Luft aufgelöst. Ohne lang raten zu müssen, der Tod des Familienoberhauptes Chiswell hat eindeutig mit Geld zu tun, gekränkter Eitelkeit und purem Hass.
Doch ehe Strike und Robin schnallen, was dies alles mit Billys Totengeschichte zu tun hat, vergehen hunderte Seiten und Strike hat alle Mühe, seine Observationsaufgaben zu erfüllen.
J.K.Rowling schafft es immer wieder, Figuren zu erschaffen, die zwar bestimmten Klischeevorstellungen vom einfachsten Arbeiter bis zum elitären Aristokraten entsprechen und trotzdem in Dialogen und Handlungsverläufen absolut glaubwürdig und lebendig erscheinen. Geschickt baut sie einen Spannungsbogen auf, der bis zum Ende der Geschichte durch alle Untiefen der englischen Gesellschaft führt und dem der Leser ohne Murren folgt. Zu hoffen wäre nur, dass Strike und Robin im nächsten Band endlich ein Paar werden und Strike endlich doch mal zu einer Frau sagen könnte: „Ich liebe dich!“.
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