Meg Mason: Was wir wollen, Aus dem Englischen von Yasemin Dinçer, Ecco Verlag, Hamburg 2021, 429 Seiten, €22,00, 978-3-7530-0003-9
„Es ist schwer, jemandem in die Augen zu blicken. Selbst wenn man die Person liebt, lässt sich dieser Blickkontakt nur mit Mühe aufrechterhalten, weil man dabei das Gefühl hat, durchschaut zu werden. In gewisser Weise auch überführt.“
Martha, jetzt Anfang vierzig, führt als Ich – Erzählerin durch diesen Roman. Als witzige Kolumnistin für Kochbücher hat sie eine berufliche Nische gefunden, ihr Mann Patrick ist Intensivmediziner. Beider Ehe wird auseinandergehen, das ist von Anfang an gewiss. Er wird sie verlassen, denn er kann ihre Art, mit anderen und auch mit ihm umzugehen, nicht mehr ertragen. Martha verfügt über einen gewissen trockenen Humor, aber sie leidet auch unter Krankheitsschüben, vielleicht Depressionen, die das Zusammensein mit ihr sehr erschweren.
Die einzige dauerhafte Beziehung, die Martha pflegen kann, ist die zu ihrer Schwester Ingrid. Im Gegensatz zu Martha bekommt Ingrid ein Kind nach dem anderen und lebt einen intensiven Alltag mit ihrem Mann Hamish und den Söhnen. Auch sie kommuniziert ziemlich witzig mit ihrer Schwester. Am Telefon können sie sich nur unterhalten, wenn Ingrid ihre Kinder ins Auto packt und losfährt. Dann schlummern die Kinder selig zum Brummen des Motors und Ingrid kann reden.
Marthas Kindheit mag ihr manchmal seltsames Verhalten beeinflusst haben. Ihre nicht sehr häusliche oder gar liebevolle Mutter Celia ist eine exzentrische, auf Äußerlichkeiten bedachte,
angeblich bekannte Bildhauerin und ihr Vater Fergus ein Poet, der als „männliche Sylvia Plath“ bezeichnet wurde, aber nie vom Schreiben seiner Gedichte leben konnte und auch nicht produktiv war. Fühlt sich Martha mehr zu ihrem feinsinnigen Vater hingezogen, so erlebt sie doch nie ein harmonisches Familienleben. Ihren Lebensunterhalt bestreiten Marthas Eltern, die sich alle zwei Jahre kurzzeitig trennten, vom Einkommen von Celias Schwester. Sie hat es am allerbesten getroffen und einen reichen Mann geheiratet. Auf den Weihnachtsfesten bei Celia in Belgravia wurde Martha und Ingrid jedes Mal klargemacht, wer hier eigentlich die Geschenke finanziert. Bitter.
Auf diesen Festen erscheint auch zum ersten Mal Patrick auf der Bildfläche, der vier Jahr jünger als Martha ist. Er ist ein Freund ihres Cousins Oliver.
Martha wird eine kurze Ehe führen und diese nach diversen Demütigungen beenden. Für Martha ist immer klar, dass sie keine Kinder bekommen möchte. Beruflich taumelt sie, bedingt auch durch ihre Krankheit, zwischen verschiedenen Jobs hin und her. Sie schreibt Romananfänge und bemerkt, dass sie immer wieder bei ihrem eigenen Leben ankommt. Martha lebt in Paris, dann wieder in London.
Als sie den bodenständigen, ziemlich ordentlichen Patrick ( Er liest in Restaurants ewig lang die Speisekarte, um sich dann doch immer wieder für das gleiche Gericht zu entscheiden. Das geht Martha am Ende der Beziehung wahnsinnig auf die Nerven. ) wiedersieht, verlieben sich beide ineinander, obwohl nicht ganz klar ist, warum Patrick schon immer in Martha vernarrt war.
Martha und Patrick ziehen nach Oxford. Der Alltag beginnt und wird für das Paar zur Tortur. Martha wirft mit Gegenständen nach Patrick, ist schwanger, verliert das Baby und wird beinahe in die psychiatrische Klinik eingeliefert. Die Leserin begleitet Martha auf ihrem Weg bis zur Trennung von Patrick und fragt sich natürlich, was nach all den Selbstzweifeln, den Abstürzen und dem eigentlich doch wirklichen Leben noch kommen wird.
Wie soll man leben, was ist wirklich wichtig in Beziehungen? Dieser Roman kann und will keine Antworten geben und doch klebt die wahrscheinlich eher Leserin an den Lippen von Martha und würde sicher gern wissen, wie ihre Geschichte weitergeht, wenn sie endlich weiß, was sie will.