Jessica Martinez: Virtuosity – Liebe um jeden Preis, Aus dem amerikanischen Englisch von Sabine Bhose, Boje Verlag, Köln 2012, 249 Seiten, € 12,99 , 978-3-414-82322-9

„ Es gab Momente an diesem Abend, in denen ich am liebsten alles über Jeremy erfahren hätte und ihm alles von mir erzählen wollte. Um im nächsten Augenblick wünschte ich mir dann, er würde seine Hand aus Versehen in einer Tür einklemmen.“

Carmen Bianchi und Jeremy King, beides Virtuosen auf der Geige, Wunderkinder, sind Konkurrenten im Wettbewerb um den Guarneri-Preis. Carmen lebt in Chicago, hier spielt auch die Handlung des Romans, Jeremy stammt aus England. Innerlich zerrissen ist Carmen, die Jeremy fast wie eine Stalkerin verfolgt, neugierig auf den Geigenspieler, der in seinen Vorstellungen eine atemberaubende Bühnenpräsenz zeigt und exzellent spielt.
Als die beiden sich kennenlernen, besteht auch schnell eine magische Anziehung, aber auch das Gefühl nie zu viel preisgeben zu können, ja Eifersucht auf das Können des anderen.
Carmen hat den Heimvorteil und eine ehrgeizige, perfekte Mutter, die auf eine Bühnenkarriere als Sopranistin zurückblicken kann, als Agentin. Jeremy ist mutterseelenallein in Chicago.
Carmen verfügt über eine Millionen schwere Geige, die sie von ihrem leiblichen Vater geschenkt bekommen hat, der allerdings erst durch ihr Talent auf sie aufmerksam wurde. Jeremy ist auf die Einnahmen seiner Platten, Auftritte und Preisgelder angewiesen.
Ungleiche Voraussetzungen.
Allerdings beneidet Carmen den immer leicht sarkastischen Jeremy um seine persönlichen Freiheiten. Sie fühlt sich von ihrer Mutter und ihrem Talent oft wie in einem Käfig gefangen. Neuerdings soll sie auch Tabletten zur Beruhigung vor Auftritten nehmen. Carmen spürt, dass sie immer abhängiger wird.
Als Carmens Mutter bemerkt, dass die Tochter sie anlügt, um mit Jeremy Zeit zu verbringen, redet sie ihr ein, dass der Junge sie nur ausspionieren will, sie beeinflussen will. Nach einem längeren Gespräch bestätigt sich dieser Eindruck bei Carmen, obwohl Jeremy aus seiner verzweifelten Situation heraus einfach den falschen Ton getroffen hatte. Carmen ist zutiefst enttäuscht.

Und dann beginnt der Wettbewerb: Jeremy kommt nicht mal unter die ersten drei. Carmen hat es geschafft, aber sie ahnt, dass die Jury getrickst hat.
Jessica Martinez erzählt in ihrem Künstlerroman von zwei Jugendlichen, die auf vieles in ihrem jungen Leben verzichtet mussten, aber mit einem musikalischen, außergewöhnlichen Talent gesegnet wurden. Carmen und Jeremy sind Getriebene, die stets Höchstleistungen vollbringen müssen, da die Konkurrenz ihnen dicht auf den Fersen ist.

Beginnt die Handlung noch sehr überzeugend, so flacht die Geschichte im Laufe des Erzählten doch immer mehr ab. Zwar befreit sich die 17-jährige Carmen aus den ständigen Bevormundungen ihrer Mutter und kämpft gegen die Tablettenabhängigkeit, so erscheint doch der Bestechungsskandal einfach eine Nummer zu groß und unglaubwürdig, auch wenn es sicher kriminelle Aktivitäten in der klassischen Musikszene geben mag.

Ohne großen Paukenschlag wäre die Liebesgeschichte viel glaubwürdiger. Schade.

Einfallslos ist leider auch das Cover, dass trotz Andeutung der Geige eher Assoziationen in Richtung Fantasy wecken könnte.