Siri Kolu: Vilja und die Räuber, Aus dem Finnischen von Antje Mortzfeldt, Heyne Verlag, München 2012, 255 Seiten, €12,99, 978-3-453-26762-6
„ In der zweiten Juniwoche wurde ich geklaut. Und das war auch gut so!“
Langweilig und lang können Ferien sein, das weiß die zehnjährige Vilja. Und bei Oma ist es auch nicht besonders spannend. Immer versprechen Viljas Eltern, dass sie eine Reise buchen, aber nie geschieht etwas.
Falsch, Vilja wird in einer atemberaubenden Aktion mitten auf der Straße von einer Räuberbande gekidnappt und tritt eine Reise an, von der sie noch lang zehren wird. Erst hält Vanamo, Viljas nervige Schwester, alles für eine Reality-Show, aber nach einer Weile ahnt sie, das ist kein Spaß, sondern bitterer Ernst. Naja, nun ist die Räuberbande um den Wilden Karlo, Hilda, die draufgängerisch und todesmutig den Minivan bei Straßenräubereien fährt, Gold-Piet und die Kinder Kalle und Hele ziemlich harmlos. Zu Beginn denkt Vilja noch an Flucht aus den Fängen der Familie Räuberberg, aber schnell gewöhnt sie sich an die turbulente Truppe, die sich ihr Essen zusammenklaut und niemanden etwas zu Leide tut. Nach dem Motto „selbst geraubt, selbst gekocht, selbst gegessen“ horten die Räuber ihre Sachen im Bus. Am vogelfreien Leben mit den Räubern, sie gehen überall spontan baden, sitzen an Lagerfeuern, spielen Kniffel und lieben alles Süße, gewinnt Vilja immer mehr Spaß, besonders als sie bemerkt, dass ihre Eltern gar nicht richtig nach ihr suchen. Ihr Vater gibt nicht mal zu, dass sie geraubt wurde. In der lieblos aufgegebenen Zeitungsannonce steht einfach nur, die Tochter sei „verschwunden“. Geschickt organisiert Vilja vom Konto des Vaters für die Räuber einen Vorrat an Süßkram, den sie in jeder Videothek mitgehen lassen.
Im Laufe der Fahrt betrachtet Vilja mit viel Skepsis ihr eigenes Familienleben und denkt an die vielen einsamen Stunden, die sie zwar in ihrer intakten Familie mit schickem Auto verbracht hat, aber eigentlich ziemlich allein war. Vilja gewinnt mit den Räubern, die ihr zuhören und ihre Meinung akzeptieren, immer mehr Selbstvertrauen.
Und dann ist da noch Kaija, die ehrbare Schwester vom Wilden Karlo. Sie schreibt Groschenhefte und erkennt sehr schnell, wie es um Vilja steht.
Vilja schreibt im Laufe der Fahrt all ihre Eindrücke von der Reise auf, denn auch bei den Räuberbergs können nicht alle Wünsche unter einen Hut gebracht werden. Kalle würde gern in die Schule gehen, Helle will die Räuberbande führen, Hilda hat keine Lust mehr im Bus zu schlafen und der Wilde Karlo ist sauer, dass der Bus nach einer temporeichen Flucht rosa angestrichen wurde. Kaija hätte gern, dass alle sagen, was sie gern möchten.
Vilja weiß, was sie will. Wenn die nächsten langen Sommerferien anstehen, muss sie auf jeden Fall wieder mit den Räuberbergs ihre Zeit verbringen.
Wunderbar komisch-abgedrehte, absolut temporeiche Geschichte über ein einsames Kind, dass in einer verrückten Gemeinschaft aufblüht und erkennt, was ihm gefehlt hat.
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