Karen Raney: Vielleicht auf einem anderen Stern, Aus dem Englischen von Andrea Brandl, Diana Verlag in der Verlagsgruppe Randomhouse, 476 Seiten, €12,99, 978-3-453-36051-8
„Nein, ich wollte mit jemandem zusammen sein, der mich im Gegensatz zu meiner Familie nicht lieben musste, sondern es freiwillig tat. Und sei es nur einen Tag lang.“
Das sind Maddys Gedanken. Zu diesem Zeitpunkt weiß der Leser noch nicht, dass dies die Reflexionen eines toten sechzehnjährigen Mädchens sind. Maddy wird an Blutkrebs sterben.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Maddys Mutter Eve und Maddy selbst. Eve hat Maddy allein großgezogen. Als sie sie am idyllischen Tawasentha Lake, einem Natursee, in den Armen hält, scheint alles perfekt. Eve beobachtet Vogeljunge, die am kommenden Tag von einer Rattenschlange gefressen werden. Ein grausiges Bild.
Ab diesem Moment ahnt der Leser, dass etwas Tragisches auch in Eves Leben geschehen könnte.
Sie arbeitet als Museumspädagogin, lebt in Pennsylvania zusammen mit Robin, einem geschickten Handwerker. Als Eve als sehr junge Frau schwanger wird, ist der Kindsvater, ein Doktorand aus Spanien nicht begeistert. Er hat nicht die Absicht so früh Vater zu werden. Eve versteht es so, dass er mit ihr kein Kind möchte. Ob sie es bekommt oder abgetrieben hat, scheint den jungen Mann, der nach Spanien zurückreisen musste, nicht zu interessieren. All dies erzählt Eve ihrer neuen Nachbarin Norma, einer Fremden. Bleibt die Frage, wie ehrlich war die Mutter zur Tochter, wie verändern sich die Erinnerungen an eine schmerzliche Zeit.
Bei einem Spaziergang, Maddy hat einige Chemos hinter sich, spricht sie mit ihrem Großvater über den abwesenden Vater, der Antonio heißt. Maddy glaubt, dass das Universum sie nicht will, weil auch ihr Vater sie einst abgelehnt hatte. Eigentlich wollte sie bis zu ihrem 18. Geburtstag warten, aber nun läuft die Zeit davon. Der Großvater ermutigt die Enkelin, per Internet nach Antonio zu recherchieren.
Sie findet ihn und ein E-Mail Austausch ohne Eves Kenntnis beginnt. Maddy ist eine tatkräftige von der Krankheit gezeichnete junge Frau, die auch ihren ersten Sexpartner bewusst auswählt.
Sie zeichnet und beginnt mit Sam, ihrem Freund, ihre Bilder zu animieren.
Per Zufall findet Eve nach Maddys Tod den E-Mail Verkehr zwischen der Tochter und ihrem Vater, der keine Ahnung hat, dass Maddy längst tot ist.
Nach mehr als einem Jahr organisiert sich Eve eine Dienstreise nach London, um Antonio zu treffen. Sie sagt sich, sie will ihn strafen, aber eigentlich ist das nicht wahr.
Karen Raney, die heute in London lebt, wuchs in den USA auf. In ihrem Roman „Vielleicht auf einem anderen Stern“ erzählt sie von einer äußerst innigen Mutter – Tochter – Beziehung, in der es neben aller Tragik auch wunderbare Momente gibt.
„Wo auch immer meine Mutter gerade sein mochte, in der Küche, beim Wäschewaschen oder vor ihrem Laptop in ihrem Arbeitszimmer – die unsichtbaren Fäden zwischen uns waren immer da. Ich spürte förmlich dieses Ziehen. … Tröstlich, aber auch schmerzhaft.“
Ohne Sentimentalität und doch äußerst berührend umkreist die Autorin eine schicksalhafte Familiengeschichte, umrahmt von poetischen Bildern, glasklaren Dialogen und tiefer Menschenkenntnis.