Louise Penny: Unter dem Ahorn – Der achte Fall für Gamache, Aus dem kanadischen Englisch von Sepp Leeb, Kampa Verlag, Zürich 2021, 556 Seiten, €18,90, 978-3-311-12029-2
„Ein alttestamentarischer Tod.
Durch Steinigung. Auge um Auge.
Vielleicht hatte der Mörder geglaubt, das Richtige zu tun. Wenn schon nicht in den Augen der Menschen, so doch in den Augen Gottes.“
Sie haben sich weit entfernt von der zivilen Welt, die vierundzwanzig Mönche im Kloster Saint-Gilbert-Entre-les-Loups. In ihren schwarzen Kutten und den weißen Kapuzen gehen sie zum Gebet, arbeiten und sind hoch musikalisch. Seit 400 Jahren verschwinden die armen Mönche hinter ihren Mauern und kaum jemand hat sie zu Gesicht bekommen. Doch als die Gilbertiner eine CD mit gregorianischen Chorälen veröffentlichten, mit der guten Absicht mit dem Geld ihre maroden Lebensverhältnisse etwas zu verbessern, überhäuften sie die Käufer mit Geld und die Fans und Presse stürzte sich auf die Männer Gottes. Diesen unerwünschten Ruhm konnte der Abt Dom Philippe mit Konsequenz zurückdrängen. Doch nun wurde in den Mauern des Klosters der Prior und Chorleiter Bruder Mathieu unter einem herbstlichen Ahorn ermordet und schwer wird es werden, diese Tatsache vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Nur ein Mönch aus dem Kloster kann der Mörder sein, das wissen die der Kirche kaum zugewandten Ermittler Armand Gamache und Jean-Guy Beauvoir. Beide quartieren sich im Kloster ein und beginnen mit ihrer Arbeit. Erschlagen wurde Bruder Mathieu im Garten des Abtes, der im Gegensatz zu allen anderen Räumen sehr privat ist. Dom Philippe und Bruder Mathieu waren einst allerbeste Freunde, wissen die Mönche, die vom Schweigegelübde befreit sich, zu erzählen. Doch seit einiger Zeit herrschte zwischen den Männern nur Streit, denn Mathieu wollte zu gern eine zweite CD veröffentlichen, da die Fundamente des Klosters bröckeln. Doch nicht nur die Fundamente sind instabil, die kleine Männergemeinschaft ist in sich zerstritten. Die einen stehen auf der Seite des tonangebenden Abts, die anderen waren auf der Seite des Priors. Fraglich ist auch, warum der Tote ein Pergament mit Neumen, alten Noten, in Händen hielt. Die geniale Gemeinschaft der Gilbertiner, die sich durch die gezielte Rekrutierung von wunderbaren Stimmen, aber auch handwerklichen und geistigen Fähigkeiten zusammensetzt, scheint durch den Mord zu zerbrechen.
Als dann auch noch der Chief Superintendent Sylvain Francoeur, der Intimfeind Gamaches, mit dem Obduktionsbericht und den Ergebnissen der Spurensicherung aufkreuzt, schlägt auch die Stimmung bei den Polizisten in Aggression um. Angeblich will Francoeur nur helfen, aber Gamache weiß, dass das eine Lüge ist. Aus den Unterlagen der Pathologie weiß Gamache allerdings nun, dass der Mord eindeutig geplant war und die Tatwaffe kein Stein, sondern eine Eisenstange, später wird sich herausstellen ein Türklopfer war.
Louise Penny reichert ihren Whodunit – Krimi mit vielen historischen Fakten aus dem Werdegang der Gilbertiner, einem Orden, der ursprünglich aus England stammt und sich dann nach der Reformation über Frankreich klammheimlich in der Neuen Welt ansiedelte. Natürlich dreht sich alles um den göttlichen Gesang der Mönche, deren Schweigen und zutiefst menschliche Abgründe.
Auch Gamache und Beauvoir werden sich durch die Manipulationen Francoeurs in der Enge der klösterlichen Behausung überwerfen. Dabei wollte doch Jean-Guy seinem Chef endlich gestehen, dass auch er ein Geheimnis hütet. Seit gut drei Monaten ist er mit Gamaches Tochter Annie zusammen und es sieht nach mehr aus als nur einer kurzen Affäre.
Wie oft stoßen auch hinter Klostermauern altbekannte Konflikte aufeinander. So geht es unter anderem um neue Ideen der jüngeren Generation, die auf starres Festhalten an alten Werten der älteren Generation trifft. Es geht um Konkurrenzdenken, Hierarchien, Geldgier und Angst.
Wie immer konstruiert Louise Penny aus all diesen Komponenten einen absolut spannenden, dialogreichen Plot, der nicht nur gut unterhält, sondern auch offen ist für spirituelle Gedanken.