Jaonne Horniman: Über ein Mädchen, Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit, Carlsen Verlag 2013, 222 Seiten, €15,90, 978-3-551-58271-3
„Seit ich das durchsichtige Mädchen auf dem Parkplatz gesehen hatte, war mir klar, dass ich jemanden wollte, der nicht berechenbar war, nicht normal, und das Problem bei gefährlichen Mädchen war, dass man sich ihrer nie sicher sein konnte.“
Die 19-jährige Anna, die auch die Ich-Erzählerin ist, zieht nach einer für sie schwierigen Zeit von Canberra nach Lismore / Australien. Hier begegnet sie ihrer ersten großen Liebe – Flynn. Flynn schreibt gern Songs, nennt sich auf der Bühne Every Little Thing. Sie berührt Anna durch ihre Spontanität und Schönheit. Anna muss sich erst daran gewöhnen, allein zu leben. Sie arbeitet in einer Buchhandlung und verbringt viel Zeit beim Lesen. Mit Flynn gewinnt ihr Leben an Dynamik, neuen Eindrücken und vor allem hat Anna nach vielen Zweifeln zum ersten Mal das Gefühl, so ist es richtig. Auch wenn Flynn sich in diese Beziehung hineinstürzt, erbittet sie sich eine Auszeit, um nachzudenken. Anna ist zutiefst deprimiert, doch Flynn kehrt zurück.
Im zweiten Teil arbeitet die Autorin mit einer weiten Rückblende. Anna erinnert sich an die Zeit vor Flynn, die sie seit dem elften Lebensjahr zum größten Teil mit Michael verbracht hat. Ihm kann sie anvertrauen, dass sie, und sie weiß das seit ihrem sechsten Lebensjahr, sich nur für Mädchen wirklich interessiert. Als Annas Vater die Familie plötzlich verlässt, um mit einer um Jahre jüngeren Frau zusammenzuleben, verliebt sich Anna in Morgan, die Freundin ihres Vaters. Immer wieder sucht sie Situationen, in denen sie mit ihr allein sein kann. Hin- und hergerissen zwischen ihrem Vater und Morgan und ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester gerät Anna in einen Strudel von Gefühlsverwirrungen, den sie nicht mehr allein bewältigen kann. Sie kleidet sich schwarz, benimmt sich unberechenbar, traut sich selbst nicht mehr. Anna bricht ihr Studium ab und geht nach Lismore.
In Lismore lebt sie nun mit Flynn zusammen, spürt aber auch, dass ihre Freundin sie auf Distanz hält, nicht alles mit ihr teilt. Anna ist sich ihrer Gefühle für Flynn sicher, obwohl sie auch Flynns Unsicherheit spürt. Und so stöbert Anna in Flynns Sachen und zerstört durch ihre Indiskretion beinahe diese so einmalige Beziehung. Spannungen und Krisen führen zu einer langsamen Entfremdung der beiden Frauen, die jede für sich auf der Suche ist.
Außerdem ist da noch Rocco, der offensichtlich Flynns Freund ist und für ein Jahr fortgegangen ist.
Anna wird im dritten Teil wieder nach Hause zurückkehren, innerlich gefestigt und doch tieftraurig, denn ihre erste große Liebe ist unweigerlich zerbrochen.
Altrosa und leicht verträumt ist das Cover dieses Romans. Der Leser vermutet kaum eine lesbische Liebesgeschichte, wenn er das Buch aufschlägt, denn weder der Klappentext, noch der Buchausschnitt auf der Rückseite weisen darauf hin. \r\n\r\nJoanne Horniman lässt ihre Protagonistin in einem ruhigen, sensiblen Ton erzählen und langsam entsteht vor dem inneren Auge des Lesers das lebendige Szenario einer ersten Liebe mit allen Höhen und Tiefen. Schnell stellt der junge Leser fest, auch in dieser Beziehung geht es neben der körperlichen Anziehung um Vertrauen und Ehrlichkeit.
Eine wunderbare Geschichte!
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