Susanne Kliem: Trügerische Nähe, carl’s books, Verlagsgruppe Random House, München 2015, 352 Seiten, €14,99, 978-3-570-58550-4

„Du drehst hier durch, mein Sohn kifft, Marlis säuft, und mein sogenannter Freund versucht wahlweise, mich zu ertränken oder mir die Kehle durchzuschneiden. Eine richtig heimelige Wohngemeinschaft!“

Nichts geht über eine Männerfreundschaft und als sich Alexander und Johann nach Jahren wiedersehen, beschließen sie mit ihren Familien aufs Land zu ziehen. Sie suchen sich einen Hof in Seesendorf, bauen diesen aus und stellen sich ein besinnliches Leben auf dem Land vor. Nicht weit von Berlin und Potsdam in der Nähe eines Waldes und Sees gelegen kann hier nur Idylle sein. Auch Nora, die Frau von Alexander, hofft auf ruhige Tage, denn sie hat sich durch ihre stressige Arbeit in ihrer eigenen sehr angesehenen Berliner Galerie einen Nervenzusammenbruch nach viel Ärger mit einem Künstler und Käufer eingehandelt. Außerdem stand die Ehe von Nora und Alexander, der als Professor für Verhaltensforschung arbeitet, auf der Kippe. Beider fast erwachsener Sohn Lucas ist nicht gerade vom Umzug begeistert. Marlis, die Frau von Johann, hat sich ihre Nähwerkstatt im Hof eingerichtet und Johann ist weiterhin erfolgreich als Architekt in Berlin tätig.

Alles könnte so harmonisch und friedlich sein, stünde da nicht eines Tages Marlis‘ zwanzigjährige Tochter Livia vor der Tür. Sie soll auf Wunsch der Mutter unbedingt Schauspielerin werden. Livia ist durchaus attraktiv und von Männern umschwärmt, aber sie hat kein Talent. Das hat auch ihr Lehrer an der Münchener Schauspielschule erkannt und sie nach der Probezeit aus der Schule entlassen.
Aber Livia traut sich nicht, es der ehrgeizigen Mutter zu sagen. Immer wollte Livia ihre Erwartungen erfüllen und dabei hat sie vergessen, wer sie eigentlich selbst ist. Johann ist ihr Stiefvater und wie alle Männer, ihr auch besonders zugetan.
Aber die egozentrische Livia ist innerlich sauer auf alle.

„Sie hatte auch Macht. Und sie würden sich alle noch umschauen, wenn sie die mal richtig einsetzte.“

Nur Nora hat ein feines Sensorium für die Gefahr und die Unruhe, die Livia unter allen Männern im Hof seit ihrer Ankunft verbreitet. Als sie Marlis fragt, wann ihre Tochter wieder abreist, kommt es zum ersten Streit zwischen den Freundinnen. Als Marlis dann auch noch vorschlägt, dass Livia die Iphigenie im Laientheater der ansässigen Ärztin spielen soll, verweigert Livia zuerst ihre Bereitschaft, denkt sich dann aber einen gehässigen Plan aus.

Livia lügt, manipuliert, spielt einen gegen den anderen aus. Sie versucht Alexander zu umgarnen, der mit ihr spielt und letztendlich ohne Gefühle mit ihr schläft. Nora ahnt, dass ihr Mann sie erneut betrügt. Livia behauptet, das Johann sie geschwängert habe und sie weist Lukas Zuneigung barsch zurück. Letztendlich ist die Spannung zwischen allen Leuten auf dem Hof nicht mehr zu ertragen.

Aus den unterschiedlichen Perspektiven der Hofbewohner erzählt Susanne Kliem ihren Kriminalroman. Letztendlich wird Livia ermordet im Wald gefunden und jeder könnte der Täter sein, denn sie hat alle gegen sich aufgebracht, einschließlich ihre Mutter.

Im Vordergrund der Geschichte steht allerdings nicht die Lösung des Falles, sondern, und das macht die Lektüre spannend, eher die Figurenkonstellationen, die sich durch das nahe Zusammenleben auf dem Hof ergeben. Wie verändert das Leben auf dem Land? Was verbergen die Personen voreinander, obwohl doch jeder glaubt, er kenne den anderen?