Christoph Wortberg: Trauma – Kein Entkommen, Deutscher Taschenbuch Verlag premium, München 2021, 352 Seiten, €16,90, 978-3-423-26268-2
„Sie sah Hirschberger und Fellner vor sich, wie sie ihr Leben wegwarfen. Der eine auf dem nachtschwarzen Wasser eines Baggersees, der andere in einem weißen Kasten aus Metall. Albtraumhafte Bilder zweier mutmaßlicher Selbstmorde, die bei aller Klarheit ihren wahren Kern verbargen. Alles lag deutlich vor ihr, aber Katja konnte es nicht sehen.“
Katja Sand heißt die gestandene Kriminalkommissarin dieses spannenden Thrillerauftakts. Sie lebt mit ihrer fünfzehnjährigen Tochter Jenny in München in einer Immobilie, die ihrer Mutter gehört. Mutter und Tochter stehen sich nicht sonderlich nahe und so ist die Wohnung im teuren München eher eine Notlösung. Katjas geliebter Vater ist vor längerer Zeit gestorben.
Katja kann sich nicht zurückhalten als sie feststellen muss, dass der erste richtige Freund ihrer Tochter ein Drogendealer ist. Mit Hilfe ihres Kollegen Fink schnappt sie Jennys Freund, der wie Jesus aussieht, auf frischer Tat. Lässt ihn von ihren Kollegen festsetzen und aus München für eine Gegenleistung ausweisen. Kaum ist Katja diese Sorge los, so steht schon ein neues privates Problem im Raum. Jenny, die nicht sonderlich gut auf die Mutter zu sprechen ist, hat den Namen ihres Vaters, über dessen Existenz Katja nie sprechen wollte, von der Oma erfahren und das nächste Drama beginnt.
Warum Katja, den Mann, den sie liebte, einst fortgeschickt hatte, bleibt in diesem Band noch offen.
Auch Katja muss ein Trauma erlebt haben, denn ansonsten würde ihr der aktuelle Fall nicht so nahe gehen. Zwei zu Beginn nicht identifizierbare Männer sterben. Haben die beiden den Tod gesucht? Waren es Selbstmorde oder doch geschickt eingefädelte Tötungsdelikte? Ohne Gewaltanwendung hat sich das erste Opfer, ohne schwimmen zu können, auf einen Baggersee begeben. Sein Boot hat er offenbar selbst versenkt. Das zweite Opfer hat sich in einem Kühlschrank dem Erfrierungstod hingegeben. Beide Opfer, so scheint es nach vielen Recherchen und intensiver Polizeiarbeit, haben sich selbst mit der Wiederholung ihres Traumas bestraft und die Todesfolge bewusst in Kauf genommen. Diese Theorie bekräftigt auch der angesehene Traumaexperte Dr. Alexander Hanning. Katja sucht verzweifelt nach einem übergreifenden Motiv für die beiden Fälle, die augenscheinlich zusammenhängen. Die Ermittlerin zweifelt an der Selbstmord-Theorie und ihr lebensfroher Assistent Rudi Dorfmüller ebenfalls. Mit Energie und entgegen allen Anordnungen ihres Chefs, der von ganz oben Anweisungen befolgen muss, schlägt sich Katja die Nächte um die Ohren, beginnt zu recherchieren und wird fündig. Die Morde jedoch zu beweisen, wird mehr als schwierig.
Im Laufe der temporeich erzählten Handlung tauchen immer wieder Szenen auf, in denen die Allmacht eines versoffenen Vaters über ein kleines Kind und seine gepeinigte Mutter gezeigt werden. Doch wessen Kindheit wird hier gespiegelt?
In einem spannungsgeladenen, wie rundum überzeugenden Plot über psychische Abgründe, seelische Verwerfungen und Gewalt spart Christoph Wortberg nicht mit Kritik an Institutionen, deren Glaubwürdigkeit unantastbar sein müsste. Er verknüpft geschickt Katjas Fall mit ihren eigenen Dämonen, die ihr offenbar arge Sorgen bereiten. Und natürlich verrät er noch nicht alles über seine taffe Kriminalkommissarin, denn die Thriller – Reihe hat ja gerade erst begonnen.